Sonntag, 2. Juli 2017

"Unsere kleine Farm" - 2017-07-02

Heute blicke ich auf zwei Chaos-Wochen zurück, die noch immer nach hallen und mir gewaltig in den Knochen stecken,

Mein Kirschen-Verarbeitungs-Programm hatte sich auf über 120 Kilo gesteigert und wäre noch weiter gestiegen, hätte mir das Wetter keinen Strich durch die Rechnung gemacht. Es stehen noch immer drei Schüsseln Sauerkirschen im Kühlschrank, die auf ihre Verarbeitung warten - doch ich fürchte, die müssen noch eine Weile warten und landen dann vermutlich in dem Fass für die Schnapsbrennerei.



Eigentlich begann die Chaotenzeit ganz harmlos. Unser Heu wurde geschnitten und ich habe bei der Gelegenheit gleich noch zweihundert Ballen eingekauft. Dieses Jahr wollte ich nicht das Gleiche erleben wie letztes Jahr, als der Regen das neu eingekaufte Heu bis zu einem Meter unter Wasser setzte. Ich bemerkte das erst als es im Stall ungewöhnlich warm war, fast wie in einer Sauna und das Heu aussah als hätte es darauf geschneit. Als ich es dann anfasste, stellte ich fest, dass es nicht nur nass war, sondern bereits eine Temperatur von rund sechzig Grad hatte. Es war Zufall und Glück, dass es sich nicht entzündet hatte. Dieses Jahr wollte ich das verhindern. Die Ballen wurden gesondert aufgestapelt, es kam eine Folie gegen den Regen drauf. Die Folie wurde verankert. Eigentlich sah alles super aus. Einige Tage später wurden die grossen Ballen reingeholt. Kaum waren diese drin, kam der langersehnte Regen und mit ihm ein heftiger Sturm. Dieser zerriss die Folie und die Ballen bekamen den Wolkenbruch ab. Nicht nur die! Auch ich war das erste Mal in diesen Tagen bis auf die Haut klatschnass. Am nächsten Tag habe ich alle Ballen vom Stapel genommen und in Reihen zum Trocken aufgereiht. Jetzt sah es hier aus wie in der Bretagne die Steinfelder - nur eben aus Heu. Ein paar Mal am Tag habe ich die Ballen gewendet, damit der Wind sie abtrocknet. Lange Rede kurzer Sinn: kaum waren sie trocken, kam der nächste Schwall und ich weiß schon garnicht mehr, wie oft ich am Ballenwenden war.




Das nächste Unwetter brachte dann auch noch Hagel - groß wie eine zwei Euro Münze. Die Eiskörner waren flach und erinnerten in ihrer Form an ein Frisbee. Als es begann zu hageln sah ich, daß unsere Welpen sich im Regen zusammen gekauert hatten. Ich hingerannt, die Welpen geschnappt und in die Hundehütte in Sicherheit gebracht. - Wieder war ich klatschnass! - Doch damit nicht genug: als ich ins Haus kam, bemerkte ich einen Durchzug. Im oberen Stock sah ich dann die Bescherung! Der Sturm hatte die scheinbar nicht richtig verschlossene Terrassentür aufgedrückt. Der Starkregen kam ausnahmsweise von Westen und drückte direkt auf die Tür. Als Resultat stand das Schlafzimmer unter Wasser. Ein Teil hat der Teppich aufgesogen, doch das Wasser lief direkt in ein Zimmer, daß ich derzeit als Lagerraum nutze. Alle Kartons, eine große Matratze und aller anderer Krempel stand im Wasser. Da kam Freunde auf. Alles raus und zum Trocknen aufgehängt. Eine Heidenarbeit! - Nachdem meine Freundin zwei Tage zuvor von einer Schlamm- und Wasserwelle heimgesucht worden war, die ihre Küche in ein zwanzig Zentimeter tiefes, großes Plantschbecken verwandelte, rief ich sie sofort an. Doch dieses Mal war sie verschont geblieben. Ich hingegen fluchte und putzte. Ganz besonders, weil ein paar Tage zuvor ein abgerutschter Schlauch meiner Waschmaschine bereits die Küche und das Esszimmer geflutet hatte.

Als ob das Wasser nicht schon genug Chaos verursacht hatte!!! ... Als ich am nächsten Morgen raussah, traf mich schier der Schlag. Regional sah mein Grundstück aus, als wäre ein orangefarbener oder gelber Teppich unter die Bäume gelegt worden ... Der Sturm und der Hagel hatte mir einen grossen Schwung Birnen und Aprikosen vom Baum geholt. Den ganzen Tag war ich damit beschäftigt das Obst aufzusammeln. Am Ende des Tages waren mehr als einhundertfünfzig Kilo in der Tonne gelandet. Sie werden jetzt vergoren und landen in der Schnapsbrennerei. Am Abend taten mir alle Gräten weh und ich fiel total gerädert ins Bett, allerdings nicht ohne vorher nicht vor dem Fernseher eingeschlafen zu sein.






Die nächste Hitzewelle kam und damit begann die Birnen- und Aprikosensaison. Wieder stand ich mehr auf der Leiter als auf dem Boden. Am Freitag flatterte dann eine Bestellung herein über zweihundert Kilo Aprikosen für Marmelade, also extra reif und weich. Meine Freundin half mir bei der Ernte, am Freitag endeten wir um 21.41 Uhr um dann am Samstag bereits um fünf wieder aus dem Bett zu klettern. bis Mittag hatten wir dann die Aprikosen in den Steigen, allerdings waren es zum Glück nur einhundertsechzig Kilo geworden, die marmeldenreif waren. Wir hatten über dreißig Grad als der Kunde sie mittags einlud und sie dann als Reklamation gegen 19 Uhr wieder retour brachte. Offensichtlich hatte es das empfindliche und überreife Obst sechs Stunden in der Wärme stehen lassen und als es verarbeitet werden sollte, war es überall vermackt. Ich kochte vor Wut!!!  Meine Freundin war Zeuge des Telefonates und bot wieder ihre Hilfe an. Es stellte sich heraus, dass der Schaden relativ gering war. Für zwei Steigen fand sich gleich ein anderer Abnehmer. Die anderen Seigen haben wir sortiert und die angemackten Früchte geputzt. Ein Grossteil der Aprikosen war ok und ich werde sie in den nächsten Tagen verarbeiten. Arbeit, die mir derzeit absolut nicht reinläuft, da ich eh schon bis über beide Ohren drin stecke, aber was soll's. Wer weiß wozu das gut war. Letztendlich kann ich mit Marmelade und Co mehr erzielen als mit den Früchten, deren Preis am Markt durch den Hagel eh in den Keller gesaust war. Auf jeden Fall träume ich langsam schon von Aprikosen und bin krampfhaft auf der Suche nach Einmachgläsern. Einhundertsechzig Kilo Obst plus Zucker ergeben nun einmal rund einhundertdreißig volle Gurkengläser. - Wo ich die hinverstauen soll, ist mir eh noch ein Rätsel. Meine Küche sieht sowieso schon aus, als wäre ein Tornado durchgefegt.

... muss weiter, es rufen die Apirkosen!


- copyright Julietta Günther -

"Unsere kleine Farm" - 2017-06-19

Hier hängt der Himmel voller - nein nicht Geigen - sondern Kirschen. Kirschen über Kirschen. süß und saftig. Die Bäume hängen satt voll und die Äste neigen sich zum Boden. Diese Jahr gibt es eine Kirschschwemme und ich komme garnicht mehr nach die süßen Früchte zu verarbeiten. Inzwischen werden vielerorts die Bäume schon garnicht mehr abgeerntet und die Markthändler dürfen am Marktende ihre vollen Steigen wieder einladen. Ich selber habe mittlerweile rund sechzig Kilo verarbeiten und mir blutet das Herz, wenn ich sehe dass die Kirschen in der Nachbarschaft hängen bleiben. Einige werden vermutlich noch zu Schnaps gebrannt, doch in meinen Gedanken hängen noch die Erinnerungen an die Zeit als meine Kinder klein waren. Kirschen galten als Luxus, doch meine Kinder liebten sie. Manches Jahr versuchte ich einige Kilo zu kaufen, eigentlich um sie einzumachen. Doch meistens kam es dazu erst garnicht, denn bis ich dazu kam, sie zu verarbeiten, hatten sie bereits einen solchen Schwund erlitten, daß sie das Verarbeiten nicht mehr lohnte. War aber auch egal, denn sie waren dort hingelangt, wo sie hingehörten: in rotverschmierte Kindermünder unter leuchtenden Kinderaugen. Es stimmt mich traurig, wenn ich sehe, wieviel Obst hier nicht abgenommen wird und andersorts wären Kinder selig darüber. In Deutschland hat es mich oft bestürzt, daß so manch ein Eigentümer nicht einmal erlaubt hat, das Fallobst aufzusammeln. Lieber verrottete es auf dem Boden.

Vor einigen Jahren blutete mir so das Herz als ich sah, daß vielerorts das Obst keine Verwendung fand und ich begann die Eigentümer zu fragen was sie damit machen und ob sie es verkaufen würden. Die meisten waren froh, daß jemanden für das Obst eine Verwendung hatten und gaben es kostenlos ab. Am Ende der Saison hatte ich sage und schreibe anderthalb Tonnen Obst eingesammelt. In meinem Hof und Küche sah es damals aus wie bei einer Obstannahmestelle. Damals kam ich auch auf die Idee Apfelwein und Wein zu machen - bei dem Apfelwein zeigte mir mein Männe einen Vogel - aber es wurde der Renner im Ort. Wenn ich daran zurück denke, wie wir unseren ersten Wein machten, muss ich schmunzeln. Wir hatten keinerlei Ausstattung, geschweige denn Fässer und wir bekamen sie aus dem Ort geliehen. Den Wein ließen wir in einer Badewanne gären, um ihn dann mit einem simplen Haushaltssieb und einem Messbecher abzusieben. Das Ganze stand in der Garage und nach Feierabend im Funzellicht einer antriebsschwachen Taschenlampe produzierten wir unseren ersten Wein. Es war wohl das Glück des Unwissenden, doch es wurde der beste Wein, den wir je gemacht hatten. Allerdings einen Haken hatte das Ganze: Männe hatte die Trauben mit den Händen in die geliehende Presse geschaufelt, rote Trauben wohl gemerkt. Als Resultat lief er über eine Wochen mit schwarzen Händen herum, da kann ich derzeit mir meinen kirschgefärbten Fingern nicht mithalten. Jedes Mal, wenn Männe seine Hände hob oder ich seine Handflächen sah, begann ich schallend zu lachen. Die Farbe hatte sich tief in die Haut gesetzt, Damals wusste ich noch nicht, was ich vor einigen Tagen im Internet las: rote Trauben werden bei Naturfärbungen für Wolle verwendet.


Copyright Julietta Günther -