Donnerstag, 30. März 2023

30 - Mikesch - der kleine Kater Naseweis

 ... die kommenden Tage vergingen für die drei wie im Flug. Sie hatten sich viel zu erzählen und waren richtig gute Freunde geworden. Es nahnte die Zeit des Abschieds. Je näher der Hafen kam, desto trauriger, aber auch freudiger wurden sie. Traurig waren sie, weil sie wussten, dass sie sich wahrscheinlich nie wieder sehen werden. Etwas hilflos in ihrer Traurigkeit versprachen sie zu einander Kontakt zu halten, wohl wissend, dass das ein unerfüllter Wunsch ist. Freudig waren hingegen Tante Mo und ihr kleiner grauer Freund. Sie freuten sich auf ihr zu Hause. Tante Mo konnte es kaum erwarten, ihr kleines Häuschen und vorallem ihren üppig blühenden Bauerngarten zu sehen. Und ihr kleiner grauer Freund? Auf der Reise war ihm etwas ganz besonderes deutlich geworden. Es gab eine kleine, süsse Mäusedame, die er während der Reise schmerzlich vermisst hatte. Bis dato war er eher als Mäusecasanova unterwegs, weshalb ihr die kleine Püppi  abblitzen liess. Nun wusste er, dass er immer auf der Suche war. Aber auch, dass er seinen Schatz in Gestalt von Püppi längst gefunden hatte. Es quälte ihn der Gedanke, dass die liebevolle Mäusedame sich womöglich einem anderen Mäuserich zugewandt haben könnte. Am liebsten hätte er sich nach Hause gebeamt. 

Am Abend bevor das Schiff der Hafen erreichte, rief Tante Mo Mikesch in ihre Kabine. Da stand ein riesiger Karton auf den Tisch. Trabte Mo sagte: "Das ist mein Abschiedsgeschenk an dich". Als Mikesch den Karton öffnete, traten ihm vor Rührung die Tränen in die Augen. Hunderte grauer Fellmäuse blickten ihm entgegen. Tante Mo musste Tage damit verbracht haben, sie für ihn zu nähen. Mit einem Mal kam sich Mikesch richtig schäbig vor, weil er so mit sich beschäftigt gewesen war, dass ihm nicht in den Sinn kam, sich für seine Freunde ein Abschiedsgeschenk zu überlegen. Tante Mo meinte zwinkert :" damit du deine Arbeit erledigen kannst". Als sie erkannte, dass Mikesch mit seiner Fassung rang, nahm sie ihn schnell in ihre Arme. Mikesch versteckte seinen Kopf in ihre Armbeuge und schluchzte lautlos vor sich hin. 

Und wie in letzter Zeit so häufig,  vermisste er die Geborgenheit einer Familie und eines Zuhauses.

Die Nacht konnte Mikesch kein Auge zu bekommen. Seine Gedanken kreisten ohne Resultat und als am kommenden Morgen der Abschied kam, stand ein ziemlich verkaterter Kater am Gangway. 

Der Abschied fiel kurz, fast schon tonlos aus. Sie drückten sich herzlich als wollten sie sich nicht mehr loslassen. Es folgte ein kurzes Nicken und die stumme Frage : "willst du nicht mit uns kommen?" Mikesch antwortete mit einen stummen kleinen Kopfschütteln. Tante Mo und ihr kleiner grauer Freund verließen das Schiff. Mikesch sah ihnen lange nach. 

Mit einem Mal streichelte ihm jemand über den Kopf. Als er aufsah, blickte er direkt in Pittyu's verständnisvolle Augen. "Ich weiss nur zu gut, Abschied ist immer ein klein bisschen wie Sterben" . Eine  Weile standen sie noch stumm nebeneinander. Dann rief die Arbeit sie aus ihren düsteren Gedanken. Manchmal ist Arbeit eine gute Medizin. So stürzte sich der kleine Kater Naseweis in folgenden Tagen die Arbeit des vermeindlichen Mäusefangens. Wenn Mikesch gar so niedergeschlagen war, dann brachten ihn die Crewmitglieder zum Lachen. Sie waren eben doch eine grosse feste Gemeinschaft, in jeder sich aufeinander verlassen konnte und die einem auch in schweren Zeiten Halt gab.

Mikesch fuhr viele Male die Tour nach Island und zurück. In der Regel blieb er an Bord. Irgendwie war ihm die Lust auf Abenteuer vergangen. Erstaunlicherweise gingen ihm die Fellmäuse nie aus. Es wurde ihm schon langsam unheimlich.


... Fortsetzung folgt...


Copyright Julietta Günther 

Montag, 13. März 2023

29 - Mikesch - der kleine Kater Naseweis

 ... Tante Mo hatte sich auf ihre alten Tage einen Wunsch erfüllt. Von ihrem kleinen grauen Freund ermutigt, kaufte sie sich die erste Jeans ihres Lebens und weil sie sich um Jahre jünger fühlte, kam gleich noch eine Jeansjacke dazu und ein paar Turnschuhe. Sie fand ihre neue Kleidung Klasse, super bequem und sie bedauerte, nicht schon früher, sich eine Jeans gekauft zu haben. Auf ihrer Reise wollte sie nicht darauf verzichten. DOCH, aus Island war das eine schlechte Wahl. Die Klamotten wurden schnell feucht und waren in Island kaum trocken zu bekommen. Nachdem am zweiten Tag trotz Sommer ein eiskalter Wind blies und sie bei ihrem Ausflug auf einen Gletscher kräftig froh, führte sie ihr erster Weg nach der Rückkehr ins Hotel,  in einen Laden. Sie erstand Unterwäsche und Pullover aus Merinowolle, die die Feuchtigkeit nicht so schnell aufnahmen und schneller trockneten. Es folgte eine regen- und winddichte Jacke. Nach dem morgigen Graupelschauer mit Sturmböen, entschied sich Tante Mo noch für eine Mütze, Schal und Handschuhe, sowie einen leichten Rucksack, in dem sie alles Unnötige verstauen konnte, wenn am Nachmittag die Temperaturen über 20 Grad schnellten. Auch eine Schlafmaske erstand sie. Da es im Sommer nicht dunkel wurde, hatte Tante Mo kein Auge zugetan und war ziemlich gerädert. Das Highlight war ein leuchtend roter Badeanzug mit kecken schwarzen Punkten und Spitzenbesatz, darin sah sie aus wie ein Marienkäfer mit Spitzenkragen. Ihr gefiel es. Das neue Outfit war zwar irre teuer, doch machte sich die nächsten Tage bezahlt. 

Tante Mo erzählte, dass es auf Island aktive Vulkane gibt, wovon circa alle fünf Jahre einer ausbricht. Überall findet man Laufe der. Wegen den Vulkanen gibt es auch heisse Quellen, die selbst im Winter zum Baden einladen. Als Tante Mo von den Geysiren erzählte, die Wasser und Wasserdampf in die Luft schleuderten  war Mikesch froh, keinen Zwischenstopp dort gemacht zu haben. Geysire, die mit ihrer Wasserfontäne, die Umgebung mit Wasser und Wasserdampf nass machten, liessen Mikesch erschauern Er hasst Wasser, gleich auf welcher Art  und dann womöglich auch noch ein kalter Wind. Igitt, nein danke! Nichts für Mikesch!

Doch ein Gutes hat es. Die Hauptstadt Reykjavik wird fast komplett mit Erdwärme versorgt. Das wiederum wäre was für Mikesch. So ein kuscheliges warmes Plätzchen in Nähe der Heizung ist nicht zu verachten.

Die beiden hatten auch die Pferde gesehen, die die Emails der Touristen beantworten. Die Isländer scheinen Humor zu haben.

Von Reykjavik war Tante Mo begeistert. Die Stadt zeigte einen Spannungsbogen von alter Wikinger Geschichte und neuer moderner Kunst und aus Tante Mo sprudelte es nur so heraus.

Doch mit einem Mal hielt sie inne und ihre Stimmung veränderte sich. Traurig sagte sie, dass es auf Island keine Blumen gibt, überhaupt wenig Pflanzen. Sie begann von ihrem kleinem Backsteinhäuschen zu reden und von ihrem geliebten Bauerngarten, in dem es jetzt so üppig in allen Farben blühen würde. Ihr Heimweh lag schwer in der Luft. Im nachfolgenden Schweigen, hing jeder seinen Gedanken nach und wieder verspürte Mikesch den kleinen Stich in seinem Herzen und wieder trat für ihn die Frage auf, wo denn seine Heimat sei.

....

Ihre trüben Gedanken, wurden abrupt von der Schiffsglocke unterbrochen. Die drei waren so in ihre Erzählung vertieft, dass sie nicht merkten, wie die Zeit vergangen war. Längst stand das Mittagessen auf dem Tisch und sie beeilten sich, zur Messe zu kommen.


... Fortsetzung folgt...


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28 - Mikesch - der kleine Kater Naseweis

 ... anders als sonst, war Mikesch schon sehr früh aus der Koje. Nach dem Frühstück ging er an Deck. Mäuse sind bekanntlich eher abends aktiv und so hatte der kleine Kater Naseweis einige Freistunden.

Just als er es sich gemütlich machen wollte. Hörte er Tony rufen;" hi, Leute! Da ist eine Maus, fang sie!"

Mikesch folgte Tonys Handzeichen. Mist, da rannte der Cousin von  Tante Mo's kleinem grauen Freund, über die Planken.

Nochmal Mist. Mikesch hatte keine Fellmaus bei sich und jetzt sollte er jagen. Da war guter Rat teuer...

Blitzschnell schoss ein Plan in Mikesch Kopf. 

Der kleine Kater machte einen Satz geradewegs auf den Rand eines Eimers, der da stand. Der fiel mit lautem Getöse um, der Cousin konnte sich in Sicherheit bringen. So weit so gut.. bis dahin hatte sein Plan funktioniert. Doch Mikesch  hatte übersehen, dass der Maat, den Eimer dort hin gestellt hatte, weil er das Deck schrubben sollte. Der Eimer fiel polternd um und das darin befindliche eiskalte Wasser ergoss sich über Mikesch. Igitt, auch noch Salzwasser! Wie ein  nasser Hund stand der kleine Kater dort und zitterte wie Espenlaub. Just in dem Augenblick kam Tante Mo an Deck. Sie nahm das kleine Katerchen hoch, wickelte ihn in ihre Jacke und trug ihn in ihre Kabine. Dort wusch sie ihm mit warmen Wasser das Salzwasser aus dem Fell. Armer Mikesch! Kater hassen Wasser! Anschliesslich rubbelte sie ihm das Fell fast trocken. Dann holte sie ein Ungeheuer aus dem Bad, das einen Höllenlärm machte. Mikesch wurde ganz bange. Doch dann merkte er, dass das Ungeheuer  warme Luft blies und sein Fell dadurch trocknete. Irgendwann fand Mikesch Gefallen daran. Er stellte sich auf die Hinterbeine, hob seine Vorderpfoten und begann Pirouetten zu drehen. Ab und an, lies er den Ententanz in seine Choreografie einfliessen. Dabei zeigte er seine Kehrseite dem Fön und wackelte mit dem Hintern.

Währendessen lachte Tante Mo Tränen. Als Mikesch trocken war, rollte er sich in den Sessel. Ein leises Klopfen an der Tür ertönte. Der Steward brachte den Tee mit etwas Gebäck. Unbenerkt war Tante Mo's kleiner grauer Freund auf dem Servierwagen mitgefahren und schlich sich leise in die Kabine. Er setzte sich bei tante Mo auf den Schoß.

Sie begann von Island  zu erzählen...


... Fortsetzung folgt ...


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Sonntag, 12. März 2023

27 - Mikesch - der kleine Kater Naseweis

 ... ihr habt sicher gemerkt, dass Mikesch eine Pause gemacht hat. Er wollte etwas für sich sein und nachdenken. Jetzt aber wird er schnell nachholen, von seinen Fahrten zu erzählen.

In Island angekommen, warteten schon Tante Mo und ihr kleiner grauer Freund am Pier. Eigentlich sah man nur Tante Mo. Ihr kleiner grauer Freund hatte sich versteckt. Er hätte nicht an Bord kommen dürfen und do schlich er sls blinder Passagier an Bord. Mikesch begleitete sie in ihre Kajüte und freute sich riesig sie zu sehen. Die beiden wiederum waren glücklich als die hörten, dass Mikesch mit ihnen zurück fährt. Sie nahmen sich vor, Mikesch von Island zu erzählen.

Aber zuerst musste der kleine Kater wieder an die Arbeit ...aufpassen, dass keine Mäuse an Bord kamen

😉

Wenig später verriet das Brummen des Motors und das Rollen des Schiffes, dass sie abgelegt hatten und suf Fahrt waren.

Abends trafen sich alle in der Messe. Da Tante Mo der einzige Passagier war, durfte sie gemeinsam mit der Crew die Mahlzeiten einnehmen.

Währendessen verbrachte ihr kleinet grsuer Freund die Zeit bei seinen Verwandten im Schiffbauch.

Tante Mo genoss die Gesellschaft der Crewmitglieder. Die wiederum freuten sich, von ihren Familien zu erzählen.

Es war ein lustiger Abend. Einer holte eine Harmonika hervor. Rr wurde begleitet von lauten, mal schrägen Gesängen der Mannschaft... und jede Menge Gelächter und Frotzeleien, wenn jemand ach gar so schräg sang.

Seeluft macht müde, so verabschiede sich Tante Mo recht früh und sich Mikesch hörte seine Koje rufen...


... Fortsetzung folgt ...


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Samstag, 4. März 2023

Renovieren einmal anders

Mein ältester Sohn war gerade einmal ein halbes Jahr. Er war kein pflegeleichter Säugling, sondern einer der alle zwei Stunden an die Brust musste, dann eine Stunde nuckelte, eine Stunde schlief, um dann wieder zu brüllen. Tag und Nacht! Ich kam reichlich an meine Grenzen.

Wir wohnte damals in einer kleinen Dachgeschosswohnung mit Schrägen. Gerade erst eingezogen, frisch renoviert und das kleines Reich unserer jungen Familie.

Eines Tages, ich war gerade am Mittagessen vorbereiten, das gesalzenes Nudelwasser stand auf der Herdplatte, die begann warm zu werden. Mein Sohn wurde munter und wieder erfüllte ein "Ich habe Hunger"- Gebrüll die Räume. Ich ging ins Wohnzimmer, nahm ihn an die Brust. Er nuckelte schmatzend vor sich hin. Ich musste wohl eingeschlafen sein, denn nach einiger Zeit wurde ich wach, weil mein Spross nach dem Milchzapfhahn suchte und ihn gefunden hatte. Nach der Fütterung beschäftigte ich mich noch eine Weile mit meinem Sohnemann.

Es waren inzwischen gute drei Stunden vergangen als mir einfiel, daß ich irgendwann einmal Nudelwasser aufgesetzt hatte. Flugs lief ich in die Küche. Der Topf auf dem Herd hatte mittlerweile alle Anlauffarben erhalten und war innen mit einer weissen Salzschicht überzogen. Das Wasser war verdampft. Der Topfboden und die Herdplatte glühten rot. Nachdem die Herdplatte ausgeschaltet war und das Ensemble langsam begann sich abzukühlen, wollte ich den Topf von der Platte nehmen. Es ging nicht! Topf und Herdplatte waren miteinander verschmolzen. Nach einiger Zeit schaffte ich es dann doch noch die beiden Komponenten von einander zu lösen, doch die Platte war nicht mehr zu gebrauchen.

Ich war so mit dem Topf und dem Herd beschäftigt gewesen, daß ich garnicht auf meine Umgebung achtete. Als mir ein Tropfen vom Dachfenster in den Nacken fiel, bemerkte ich, daß die Küche sich in eine Sauna verwandelt hatte. Die Scheiben waren beschlagen und das Wasser lief an ihnen herab. Als ich mich dann umdrehte, traf mich fast der Schlag. Bei den Möbeln sah es nicht anders aus. Aber richtig heftig waren die Wände. Dort hatte sich in Folge des Wasserdampfes, die frischen Tapeten gelöst und waren nun von den Wänden gerollt. Autsch! Ich wusste nicht, ob ich die Angesicht dieses Ergebnisses nun lachen oder weinen sollte. Aber eines wusste ich ganz sicher, mein Mann wäre sicher nicht erfreut darüber und es stand neues Tapezieren an. Die Tapeten liessen sich ja noch verwenden, waren ja fein säuberlich von den Wänden gerollt.  Aber es brauchte ein paar Tage bis die Wände so trocken waren, daß die Tapeten dort überhaupt hielten.



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Freitag, 3. März 2023

Ein Schaf, ein Jäger und eine Anektode reicher

Vor einigen Jahren, wir hatten gerade unsere ersten vier Schafe bekommen, erhielten wir auch gleich unsere erste Lektion, was man als Schafshalter sein lassen sollte.

Eines hatten wir nicht bedacht:
für unsere Hunde waren das Eindringlinge. Fremde, die in ihrem Revier nichts zu suchen hatten.

Nichts ahnend ließ Männe morgens die Hunde raus.
(Na ja! Ahnung hatten wir damals wirklich nicht viel oder besser gesagt, wir waren reiflich naiv an das Thema Schaf herangegangen)

Buddy lief in den Garten, verrichtete sein Geschäft bis ... na bis er die Schafe erblickte. Da gab es für ihn kein Halten mehr. Rufe unsererseits wurden ignoriert. Buddy raste auf die vier Schafe  zu. Männe dem Hund hinterher. Es herrschte reichlich Tumult, was mich auf den Plan rief. Drei Schafe sprangen über den Zaun. Der Hund wurde von dem Hindernis abrupt gebremst, was mir Gelegenheit gab, den Hund anzuleinen und von den Schafen wegzuführen.

Ein Schaf war zurück in den Stall getrabt. Doch die anderen waren auf der anderen Seite des Zaunes, außerhalb des Grundstückes. Da Schafe von Natur aus Fluchttiere sind, gestaltete sich das Zurücktreiben nicht so einfach. Eines rannte freiwillig zurück ins Gehege. Ein anderes Tier rannte in den Wald und blieb für immer verschwunden. Vermutlich lief es irgendwann einmal einem überraschtem Jäger vor die Flinte. Und das vierte Tier ? Das wurde nahezu zu einer never ending story!

Wir hatten circa fünfhundert Meter entfernt einen Nachbarn, der auch Schafe hatte. Seine Tiere waren auf einem Grundstück, das an drei Seiten eingezäunt war und auf einer Seite von Dickicht und Wald begrenzt war. Seine Tiere blieben den ganzen Tag draußen, teilweise auch außerhalb Sichtweite des Eigentümers.

Unser Schaf war wie Doktor Kimbel auf der Flucht. Wir suchten es, doch fanden es nicht. Im Dorf hatten wir die Nachricht verbreitet, daß bei uns zwei Schafe abgängig seien und wir um Nachricht bäten, falls jemand die Tiere sähe. Wir hatten die Hoffnung schon aufgegeben. Nach gut einer Woche bekamen wir die Meldung, daß bei unserem Nachbars ein fremdes Tier aufgetaucht war und seine Herde anführte. Wir sollten doch mal schauen, ob das unseres sei.

Wir hin und der Nachbar berichtete uns, daß er sich seit ein paar Tagen wundere, daß seine Herde begonnen hatte, zu wandern. Noch verblüffter war er, als er feststellen musste, daß seine Herde von einem ihm unbekannten Schaf angeführt wurde. - Unser Schaf hat sich eine Herde gekapert!

Wir wollte unser Schaf zurück und so mussten wir es wieder einfangen. Das gestaltete sich schwieriger als gedacht. Denn kaum kam man dem Schaf näher als zwanzig Meter - schwupps - Hufe in Bewegung gesetzt und wir sahen von dem Schaf samt Herde nur noch eine Staubwolke.

Tagelang versuchten wir es, auf die unterschiedlichste Weise. Nichts führte zum Erfolg.

Dann bestellten wir ein Jäger, der es mit einem Betäubungsgewehr schiessen sollte. Doch - unser Schaf war kein blödes Schaf! Kaum kam der Jäger in Schussreichweite - Schaf war weg! Zwei Tage lang lag der Jäger vergeblich auf der Lauer. Kaum Gewehr angelegt - Schaf war weg!

Nun war guter Rat teuer. Der Nachbar wollte unser renitentes Schaf, das nur Unruhe in seine Herde brachte, nicht behalten und wir wollten es wieder haben. Was nun?!?

Wir grübelten und grübelten. Dann kamen wir auf die Idee, die Schafe in eine Art Gatter zu treiben. Doch das gab es bei dem Nachbarn nicht. Per Schubkarre fuhren wir zwei Rollen Zaunmaterial hin und zogen bei ihm provisorisch ein Gehege. Die Schafe wurden hineingetrieben. Die ganze Herde stand drin, nur unser Schaf blieb draußen ... Verflixte Sch.. noch einmal! Neuer Versuch! Gleiches Spiel! Dann kam der Hafer als Lockmittel dran. ALLE Schafe rein ins Gatter. Super! Doch zu früh gefreut! Als die Männer das Schaf fassen wollten, sprang es über den Zaun. An dem Tag lief nun garnichts mehr.

Nächster Tag, neuer Versuch. Ich blieb zu Hause. Nach drei Stunden hörte ich von Weiten ein Tumult. Ich ging auf die Terrasse und hörte: "Komm, Du blödes Vieh!" - "Lauf endlich weiter!" - "Nein, nicht dorthin" - "Komm endlich"- "Pass auf, es reißt sich los!" usw.
Alleine die Konversation brachte mich zum Lachen.

Dann sah ich die Gruppe: fünf gestandene Mannsbilder mit hochroten Kopf und dazwischen ein ziemlich widerborstiges Schaf. Zwei der Männer waren vermutlich beim Einfangen im Mist gelandet. Einer zog das Schaf, das sich wild gebährte und in alle Richtungen zog, in die es nicht  sollte. Zwei schoben das Tier und fielen immer mal wieder der Länge nach hin. Die anderen beiden prusteten und krümmten sich vor Lachen.

Irgendwann hatten sie es geschafft, das Tier ins Gehege zu bringen. Kaum von der Leine, lief das Schaf seelenruhig in seinen Stall, fast als wollte es sagen "Ätsch, Euch habe ich es aber gezeigt!"

Die Männer erzählten, daß sie das Tier x-mal in das Notgehege treiben mussten. Immer wieder ist es ausgebüchst: mal über den Zaun. Einmal hat es einen der Männer am Eingang umgerissen und ist davon getrabt. Ein anderes Mal ist es glatt über das Hausdach abgehauen. - Immerhin irgendwann hat es geklappt. - Danach lebte das Tier einige Jahre bei uns und es blieb der einzige Ausflug.

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Mittwoch, 1. März 2023

Das kleine Mädchen "Ich trau mich nicht"



In einem kleinen Dorf irgendwo auf der Welt lebt ein kleines Mädchen namens Anne. Sie ist ein liebes Kind und jeder mag sie gerne. Oft ist sie mit ihren Schulkameraden unterwegs. Aber sie hat ein grosses Problem. Wenn ihre Freunde, sie mitnehmen wollen, um im Wald nach Walderdbeeren zu suchen, dann sagt Anne : "geht ohne mich, ich trau mich nicht". Ab und zu gehen sie über die Brücke zum Bauern. Dort besuchen sie die kleinen Kätzchen und holen frische Milch. Die Kinder lieben es, wenn sie aus dem Deckel ihrer Milchkanne, die noch kuhwarme Milch trinken können. Doch an der Brücke bleibt Anne stehen: "geht ohne mich, ich trau mich nicht".  Dann eines Tages im Herbst haben ihre Freunde mit ihren Pappa's Drachen gebastelt. Anne's Papa hat einen ganz besonderen  Drachen gebaut. Er ist achteckig und hellgrün, wie Anne Lieblingsfarbe. Er einen hat ganz langen Schwanz mit vielen bunten Schleifen. Als die Freunde sie abholen und Drachensteigen lassen wollen, sagt sie nur "geht ohne mich, ich trau mich nicht". So geht das tagein tagaus, ob beim Radfahren, Schaukeln, Rollschuhlaufen und vieles mehr. Anne sagt immer immer nur "geht ohne ich, ich trau mich nicht". Manchmal wenn sie keiner sieht, dann weint sie leise vor sich hin. Wie gerne wurde sie gerne auf dem Rad ihre Haare im Wind flattern lassen, doch sie traut sich nicht. Warum, das weiss keiner. Im Dorf nennt sie mittlerweile jeder nur "Ich trau mich nicht".

Eines Tages ging "Ich trau mich nicht" mit ihrer Mutter spazieren. Ganz in ihrer Nähe ist ein Wildgehege mit Wildschweinen und Rehen. Mama hat ihr erzählt, dass es dort kleine Rehkitze und Wildschweinferkel gibt. Die wollten sie anschauen gehen. "Ich trau mich nicht" hat die letzten Tage deshalb extra Eicheln gesammelt. Die lieben die Rehe und die Wildschweine. An Mamas Hand gingen sie dort hin. Es hatte die letzten Tage geregnet und der Weg war rutschig. Mit einem Mal glitt Mama aus und fiel hin. Da sie "Ich trau mich nicht" an den Hand hielt, fiel auch die hin. Beide lagen in einem Berg voller Laub. "Ich trau mich nicht" ist nichts passiert ist, da sie ganz weich auf Mama Bauch gelandet war. Aber Mama lag mit verdrehtem Fuss am Boden. Der Fuss tat ihr ganz doll weh und Mama konnte nicht aufstehen. "Ich trau mich nicht" wurde ganz bang, als sie ihre geliebte Mama so liegen sah. Ehe ihre Mama etwas sagen konnte, rannte "Ich trau mich nicht" davon und rief "ich hole Hilfe !". - Und weg war sie. Die Mama bliebt alleine zurück.

"Ich trau mich nicht " rannte so schnell sie konnte. Sie lief durch den dunklen Wald, einen Weg entlang. Vorbei an den abgeernteten Maisfeldern. Als Abkürzung nahm sie den Weg über die Wiesen und kam an den kleinen Bach. Sie wollte hinüber springen, doch beim ersten Mal gelang es ihr nicht und sie rutschte aus. Beim zweiten Mal, nahm sie noch mehr Anlauf und sie flog förmlich über den gluckernden Bach unter ihr. Sie rannte weiter über die Felder, über die kleine wackelige Brücke und kam bald danach an den Rand des Dorfes. Dort stand eine Telefonzelle. Mama hatte ihr schon ganz früh erklärt, was sie tun muss, wenn sie einmal Hilfe holen musste. Sie war damals noch keine zwei Jahre alt, aber sie erinnerte sich heute noch ganz genau. Doch sie war zu klein und kam nicht an den Hörer. So sehr sie es auch versuchte, es wollte einfach nicht gelingen. Sie war schon ganz verzweifelt, als eine Frau des Weges kam und sie fragte, ob sie ihr helfen könne. Nun erzählte ihr "Ich trau mich nicht", was geschehen war. Die Frau rief für sie die Rettung an und bald danach kam ein Krankenwagen. "Ich trau mich nicht" setzte sich auf den Sitz neben dem Fahrer und erklärte ihm, wo er hinfahren musste. Bald waren sie bei der Mama. Der Sanitäter machte Mama einen Verband und gab ihr eine Spritze gegen die Schmerzen. Dann wurde Mama in den Krankenwagen gehoben und sie fuhren mit ihr ins Krankenhaus. "Ich trau mich nicht" durfte mitfahren. Nach einer Untersuchung stellten die Ärzte fest, dass Mama sich nur den Fuss verstaucht hat. Das tut zwar sehr weh, aber es war nicht so schlimm. Mama bekam einen neuen Verband und durfte nach Hause. Dort allerdings musste sie sich ein paar Tage ausruhen. Weil Mama nun im Haushalt nichts machen konnte, kam ihre Oma helfen.

Die Oma schaute erst Mama an, dann "Ich trau mich nicht" und dann wieder Mama. Sie sagte zur Mama "wie mutig doch unsere Kleine ist !"  Mama meinte, "ja, sie ist wirklich sehr mutig und wir sind mächtig stolz auf sie". Da erst merkte "Ich trau mich nicht", was sie getan hatte: sie war ganz alleine durch den dunklen Wald gerannt, über die Wiesen und die Brücke, sogar über den Bach ist sie gesprungen. Manches muss man einfach nur einen ersten Schritt tun und sich trauen. Sie hatte aber noch etwas anderes gelernt: wenn sie einmal selber nicht weiter weiss, dann gibt es sicher jemanden, den sie fragen kann und der ihr hilft.

Was glaubt ihr, wenn ihr jetzt auf dem Spielplatz jauchzen seht? Wer auf der Schaukel in den Himmel fliegt? Wer sich den Wind beim Radfahren durch die Haare wehen lässt? Stimmt! -

Es ist eine glückliche, lachende Anne, die nun längst nicht mehr "Ich trau mich nicht" heisst.



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