Mittwoch, 1. Februar 2017

"Unsere kleine Farm" - 2017-02-01

Back again!

Wie das Leben so spielt! - Manchmal stellt man sich selber ein Bein, manchmal läßt das Schicksal einen kräftig auf "die Schnauze fallen". Manch anderes hingegen entbehrt jeder Logik und lässt einen in "warum passiert das gerade mir"-Selbstmitleid zerfließen. ...

Mein letztes Jahr hatte von allem mehr als genug und 2017 kann eigentlich nur noch besser werden. Offensichtlich hatte ich aufgrund technischer Probleme bei der Ausschreibung für die "Probleme und Stolperfallen für das Jahr 2016" meine Unterlagen mehrfach eingereicht, während andere hingegen wohl den Abgabetermin gänzlich verpennt hatten. Nun denn ich bekam gleich mehrfach den Zuschlag und hinter mir liegen Monate einer rasanten Achterbahn- und Talfahrt. Im Leben hatte ich schon öfters Zeiten aus denen ich wie ein zerrupfter alter Strassenkater hervorging, aber 2016 schlug Alles bisher Bekannte:

Gleich zweimal hatten Firmenchefs meinen Männe um einige Monate Lohn geprellt. Als Resultat suchte  selbst die letzte Maus eine neue Futterstelle, nachdem sie vergeblich unseren leeren Kühlschrank durchsucht hatte. Es herrschte über Monate Ebbe in der Kasse, offene Rechnungen kamen in die monatliche Lotterie und es gleicht einem Wunder, dass uns nur das Telefon abgestellt und das Auto abgemeldet wurde.

Hinzukam, dass die Probleme unserer Beziehung so zusetzten, dass Männe das Weite suchte - zumindest für einige Monate, bis wir uns wieder zusammen gerauft hatten. (Mich hat vermutlich nur mein anerzogenes preußische Pflichtbewußtsein daran gehindert, schreiend davon zu laufen). Doch bis dahin stand ich alleine da: ohne Kohle und mit fast einhundert Tieren im Schlepptau. - Doch "Not macht erfinderisch" und bei mir im Besonderen erwachte der längst verschollen geglaubte Kampfgeist.

Erstaunlich welchen Mist ich vergangenes Jahr hinter mir habe:
monatelang alleine - Bärlauch waschen als finanzielle Notlösung - Trinkwasser wurde im Rucksack heraufgebracht - Lebensmittel ebenso - hin und wieder wurde ein  Tier geschlachtet - währenddessen die Ernte mehr als mäßig war - stattdessen sammelte ich für die Tiere Fallobst und altes Brot ein (erstaunlich wieviel weggeworfen wird oder ungenutzt verrottet) - hin und wieder bekam ich von der ungarischen "Tafel" Unterstützung ...

Gesundheitlich war 2016 auch ein Griff in "das muss ich eigentlich nicht haben"-Register: es begann mit einem mehrfach gebrochenen Arm, in den Bereichen Hand, Handgelenk, Unterarm, Ellenbogen und Schulter.

Im Oktober brach ich durch das Dach vom Schweinestall, zusammen mit der Sau, die auf dem Dach die Aussicht geniessen wollte. Dabei prellte ich mir die Niere und brach mir gleich mehrfach die Rippen. In Anbetracht  nicht bezahlter Krankenversicherung musste alles ohne Arzt und Gips kuriert werden - war etwas mühsam! Aber erstaunlicher Weise war ich bereits nach 4-6 Wochen wieder fast komplett genesen: ohne Gips und ohne Reha, dafür aber mit der täglichen Arbeit auf der Farm. Das Bücken stellte mich vor grossen Herausforderungen, garnicht zu schweigen von dem wieder Aufstehen. Aus dem Bett kam ich nur gerollt, aber wehe ich rollte in die falsche Position, dann dauerte die Verbringung in die Vertikale eine halbe Ewigkeit. Die Versorgung der Tiere war auch nicht von schlechten Eltern ... insbesondere das Heu reinholen. Uff. Den Tieren knurrte der Magen und mir taten die Gräten weh. Doch wie sagt der Ungarn" lepesről lepesre" - Schritt für Schritt ...

Dann streikte auch noch die Technik: erst gab die Waschmaschine auf, dann der Wäschetrockner und zuletzt der Computer. Eine Waschmaschine hatte ich als Ersatz, der Trockner wurde im Sommer nicht vermisst, doch der Computer und mit ihm das Internet katapultierte mich aus der Welt - und das war richtig bitter ... keine Telefonate, keine Emails, keine Aussenkontakte zu meinen Jungs (Telefon war ja auch out of order) -
Extrem hart ist auch das Fehlen eines fahrenden Untersatzes (der steht nun ohne TÜV und Versicherung in der Einfahrt). Alles musste irgendwie organisiert werden: der Kauf von Futtermittel für die Nutztiere, das Hundefutter, unsere Magenfüllungen, das Benzin für die Motorsäge, das Brennholz oder auch nur der kleine Luxus eines Weihnachtsbaumes. Es lässt sich eben nicht alles im Huckepack im öffentlichen Bus heranschaffen. So war auch hier der Erfindungsgeist gefragt ...

... Alles in Allem: 2016 war ein Super-Sch...-Jahr - eine Achterbahnfahrt der Gefühle und eine Talfahrt, die uns in das soziale Aus am Rande der Gesellschaft katapultiert hatte ...

Irgendwie kamen wir, bis auf wenige Ausnahmen, durch das Schlamassel und so langsam geht es wieder aufwärts.

Doch ich will auch nicht verhehlen, dass selbst im größten Mist noch ein paar Funken positive Aspekte sitzen.

Zum einen habe ich mein Päckchen Übergewicht verloren. Allerdings waren dreißig Kilo zu viel des Guten und ich hatte Mühe, Hosen in Kleidergrőße 32-34 Hosen zu finden und diese nicht im Trab zu verlieren. Meistens ähnelte daher mein Outfit eher das eines Clownes in zu grossen Beinkleidern ;-)

Zum anderen hat mir diese Zeit gezeigt, wer ich bin, was ich bin und was ich notfalls stemmen kann. Zeiten in denen kein Raum war für Scham oder Peinlichkeit, die mich an meine Grenzen brachte und diese übersteigen liessen. Ich fiel in Löcher tiefster Depression und Endzeitstimmung, in denen mein Haushalt aussah als hätte eine Bombe eingeschlagen und ich mich unfähig fühlte, mich auch nur zu bewegen. Dann folgten Phasen von wildem Aktionismus und einer mir typischen "Jetzt-erst-Recht und ich laß mich nicht unterkriegen"-Stimmung. Durch alles zog sich ein roter Faden von einem schier endlosen Erfindungsgeist und Ideenreichtum. Beides war auch mehr als nötig, denn irgendwie galt es mit keinem oder kaum Geld einen Stall von Tieren zu ernähren und selber dabei nicht völlig vom Fleisch zu fallen. Ich hatte schon daran ein Kochbuch zu schreiben unter dem Motto "Aus Wenig Viel - gesunde und sättigende Ernährung bei Ebbe in der Kasse"

Last not least: Diese Monate haben meinem Männe und mir auch gezeigt, was wir aneinander haben. Auch wenn es sicher noch eine Weile braucht bis bei uns alle Wunden verheilt sind, so hat unsere Beziehung dennoch eine andere Qualität erhalten.

Manchmal muss man tief fallen, um geerdet zu werden und um das Leben wieder besser schätzen zu können.

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