Montag, 7. Dezember 2015

"Unsere kleine Farm" - 2015-12-07

Heute morgen hatte ich mich wieder auf einen sonnigen Tag gefreut, nachdem die letzten Tage in einem dicken Nebel verschwunden waren und die Stimmung in eine Art Winterblues versank. Ich stand auf, sah in die Morgendämmerung und in einen klaren Himmel. Die Sonne kam heraus. Einfach nur schön, wenn der Tag so beginnt. Der Rauch aus dem Kamin stieg senkrecht in den Himmel und alles war so friedlich. Wir leben im Karpaten-Becken am Fusse des Mecsek-Gebirges, einem Ausläufer der Karparten. Diese Lage beschert uns immer wieder besondere Wetterverhältnisse. So drehen sich in dem Karpaten Becken, wie in einem Wirbel, oftmals die Winde und damit auch so manches Gewitter, das dann mehrfach über uns hinwegzieht. Heute morgen blickte ich also dem Rauch nach, im Drautal hing der Nebel, der leichte Wind trieb den Nebel weiter in das Tal. Doch kaum eine halbe Stunde später stand ich am Fenster und bemerkte, dass der Luftdruck sich verändert haben musste. Denn mit einem Mal wurde der Kaminrauch nach unten in den Garten gedrückt, dann drehte irgendwann auch der Wind und der Nebel zog aus dem Tal herauf. Nun blitzt die Sonne nur noch sehr verhalten aus dem Nebel, der immer dichter wird. So hoffe ich denn, dass die Winde stark genug sind, den Nebel weiter in die Höhe des Gebirges zu pusten. ..

Wenn alles nebelfeucht von oben tropft, kommt bei mir keine richtige Laune auf, im Garten zu werkeln. Alles ist nass und wenn man unter den Bäumen durchläuft, riskiert man, dass einem Tropfen in den Nacken fallen. So verschiebe ich meine Arbeiten erst einmal ins Haus und übe mich darin, dass vielleicht doch noch ein Weihnachtsfeeling aufkommt. Die letzen Wochen waren richtig frühlingshaft, die Apfel- und Kirschbäume hatte begonnen zu blühen und es wollte sich bei mir einfach keine Adentsstimmung einstellen. Nicht einmal einen Adentskranz habe ich gemacht. Vielleicht wäre das Stimmungsbarometer ein anderes, würden wir in der Stadt leben, mit all ihren Geschäften und Einkaufspassagen, die weihnachtlich dekoriert sind und in denen Weihnachtslieder dudeln. Wo die Menschen von Weihnachtsgeschenk zu Weihnachtsgeschenk pendeln und sich auf dem spärlichen ungarischen Weihnachtsmärkten an Glühwein und Waffeln laben. Doch - wir leben auf dem Land. Und hier weist nur wenig auf das bevorstehende Weihnachtsfest hin. Ein paar wenige Dekorationen an den Häusern, so gut wie keine Lichterketten und einem Aushang, dass zu Nikolaus, die Gemeinde zu einem Nikolaustreffen einlädt.

Allerdings war ich am Samstag in der Stadt zum Einkaufen. Dort hat mich ein klein wenig doch der Weihnachtsvirus gepackt und so habe ich bereits den Weihnachtskarpfen gekauft. Na eigentlich, war weniger das bevorstehende Fest der Grund dafür, sondern ein extrem günstiges Sonderangebot des Supermarktes, das mich dazu verleitet hat, gleich drei Karpfen zu kaufen. Inzwischen bin ich was Fisch anbelangt zwar noch kein Profi, aber ich stelle mich wenigstens nicht mehr so dämlich an, wie bei meinem ersten selbstgekauften Karpfen ...

Bei uns in der Familie ist Karpfen und Kartoffelsalat an Heiligabend Tradition und seit ich Kind bin, war es für mich immer das Grösste, wenn ich von dem kross gebratenen Fisch eine noch krossere Flosse ergattern konnte. So war es nur verständlich, als ich zum ersten Weihnachten fernab meiner Familie, wenigstens mit einem Karpfen eine weihnachtliche Verbundenheit herbeizaubern wollte.  Vor dem Supermarkt waren grosse Wasserbecken aufgebaut und ich stellte mich in die lange Schlange, um meinen Karpfen zu kaufen. Ich konnte mir ihn aussuchen. Flink war er gefangen und noch schneller hatte ich meinen frischen Karpfen in der Hand. Da ich mit dem Firmentransporter unterwegs war, legte ich die Tüte mit dem Fisch in den Fussraum des Beifahrersitzes und fuhr los. Mit einem Mal hörte ich seltsam Geräusche und aus einem Augenwinkel heraus bemerkte ich, dass meine Tüte zu hüpfen begann. Ich hielt an und stellte überrascht fest, dass der Karpfen in meiner Tüte noch reichlich lebendig war! Von Deutschland war ich es gewöhnt, dass man den Fisch geschlachtet, geschuppt und ausgenommen erhält. Doch - "andere Länder, andere Sitten" - was ich nicht wusste, dass man in Ungarn den Karpfen lebendig bekommt. Reichlich verdutzt brachte ich meinen putzmunteren Fisch auf den schnellsten Weg nach Hause. Ich dachte schliesslich auch, dass wenn er jetzt das Zeitliche segnet, verdorben ist bis ich nach Hause komme. Laie eben! -

Zu Hause angekommen stand ich ziemlich ratlos vor dem Tier. Erstens hatte ich noch nie einen Fisch geschlachtet und zweitens war Heiligabend erst in vier Tagen. ... Nach einiger Überlegung beschloss ich, den Fisch erst einmal zwischenzulagern. Dafür füllte ich eine grosse Schüssel mit Wasser und setzte das Tier ins Wasser - nicht ohne ihn vorher vorsichtig an das andere Wasser zu aklimatisieren, wie ich es in der Zoohandlung gelernt hatte. Am zweiten Tag keimte in mir der Gedanke, ob ich das Tier füttern müsste, doch den Gedanken verwarf ich. Aus der Aquariumzeit meiner Jungs wusste ich, dass Fische dazu neigen bei Futterüberschuss ununterbrochen  zufressen, damit sie für kargere Zeiten Reserven haben. Doch es kam Heiligabend und ich hatte noch nie im meinem Leben einen Fisch geschlachtet! - Mein Kartoffelsalat war fertig, Heiligabend war da und - ich ass meinen Salat ohne gebratenen Fisch - der schwamm nämlich noch sehr quietschlebendig in der grossen Plastikschüssel. Ziemlich grimmig sah ich ihn an und musste den ganzen Abend an diese Weihnachtsgeschichte denken, in der eine Familie ihren Karpfen in die Badewanne packte und ihn dann später wieder frei liess. -

Der Heiligabend, der erste und auch der zweite Weihnachtsfeiertag gingen ins Land - und mein Karpfen schwamm noch immer munter im Wasser. Doch am Tag nach Weihnachten packte mich die Wut auf mich selbst und wusste, dass ich mich entscheiden müsste: entweder das Tier irgendwo in die Freiheit entlassen, oder aber ihm den Garaus zu  machen und endlich gebratenen Karpfen zu bekommen. -  Der Hunger siegte! Doch was dann kam, war ein gösserer Akt: ich nahm also den glitschigen Fisch aus dem Wasser, entschloss mich, ihn draussen im Garten zu schlachten. - Was folgte, hätte glatt eine Parodie von Charlie Chaplin sein können! Ich kämpfte eine halbe Ewigkeit mit dem Fisch, der entweder mir aus den Händen flutschte oder aber weghüpfte. Zwischendurch musste ich immer wieder meine Katzen verscheuchen, die mir meinen Fisch streitig machen wollten. Irgendwann hatte ich es tatsächlich geschafft, dass Tier zu erlegen, wobei ich mich jedoch wunderte, dass der Fisch nicht schon vorher einen Herzinfarkt erlitten hatte. Das Ausnehmen und Schuppen  ging dann vergleichsweise schnell vonstatten. Das hatte ich als Teenager im Urlaub an der Kroatischen Küste beobachtet. Allerdings waren überall die Schuppen verteilt, in der Küche, meinem Gesicht, klebten auf der Nase und im Haar. Noch Wochen später fand ich irgendwelche Schuppen, die an den Fliesen oder Schränken unscheinbar pappten. Die steckte ich dann in meine Geldbörse. Schliesslich sagt der Volksmund, dass Karpfenschuppen im Portemonai dafür sorgen, dass das ganze Jahr die Münzen darin nicht ausgehen. Es war zwar kein Sylvesterkarpfen, aber immerhin fand ich die Schuppen zu Sylvester und im neuen Jahr. Und Glaube versetzt schliesslich Berge ... ehrlich gesagt, klappte das mit dem Geldberg nicht so richtig ... denn in der Börse herrschte das Jahr über eher Wüste.;-)

Wie auch immer, es gab am Abend geratenen Karpfen. Aber ... diesmal ohne Kartoffelsalat !

copyright Julietta Günther



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen