Montag, 23. November 2015

"Unsere kleine Farm" - 2015-11-23

Wieder beginnt ein Post mit einem leeren Blatt, auf dem sich nach und nach die Gedanken und Erlebnisse auf unserem kleinen Bauernhof zusammen fügen in eine Zeitaufnahme, einem grossen Ganzen und doch ein winzig kleiner Augenblick im Lauf der Geschichte.

Wenn ich über das Gelände gehe, die Tiere beobachte, den Wechsel der Jahreszeiten in jedem Blatt, das zu Boden fällt bemerke, dann - ja dann - merke ich, wieviel Kraft in der Natur steckt und werde ganz erfürchtig. Wir Menschen sind ein Teil der Natur, hoch entwickelt und gebildet, doch erstaunlicher Weise  sind wir so wenig mit der Natur verbunden, nutzen ihre Kräfte nur begrenzt. Die Tiere sind da anders, längst bevor wir es wissen, wissen sie um den herannahenden Sturm und das ohne Wetterbericht ;-) - Seit Tagen herrscht eine gewisse Unruhen bei den Tieren, die sich immer dann zeigt, wenn ein Wetterwechsel ansteht. Sie spüren Gefahren, in die wir blindlinks hineintappen.Ganz genau wissen sie auch, welches Kraut sie fressen müssen, wenn sie krank sind. Während wir hingegen ohne Doktor total hilflos sind und selbst der muss auf eine gewisse Allgemeingültigkeit zurück greifen. Frei nach dem Motto: ich habe eine Lösung, doch die passt nicht immer zum Problem" , manchmal verschärft sie es gerade zu. Das weiss ich nur zur gut aus der Zeit der häuslichen Pflege meines Vaters.

Wir nutzen unsere Sinne nur zum Teil, wobei sich das trainieren lässt. Vor vielen Jahren habe ich einmal gelesen, dass die Indianer sich lautlos im Wald bewegen können und schon lange, bevor sie einen Menschen oder ein Tier sehen können, es spüren können - es käme zu einer Kraftverschiebung. Das leuchtete mir ein, insbesondere wenn ich mir da in der Physik das Prinzip des Gleichgewichts der Kräfte ansehe. Ich wäre nicht ich, wenn ich nicht dem was mich neugierig macht, auch nachgehen würde. Na ja, ich bin kein Indianer, aber habe meine fünf Sinne noch beieinander, wenngleich, wer gewusst hätte, was ich in den nächsten Wochen trainiert habe, das sicher bezweifelt hätte. ;-) - Ich ging in den Wald und probierte, mich dort lautlos fortzubewegen. Nach unzähligen Versuchen und vielen knackenden Ästen klappte es tatsächlich. Zum ersten Mal wurde mir auch bewusst, dass ich mich im Wald und auch sonst wo, eher wie ein Elephant im Porzellanladen bewegt habe und dabei einen Krach verursacht habe, der weit in die Welt hinaus zu hören war. Nachdem das lautlose Bewegen im Wald einigermassen funktionierte, was erstaunlicher Weise auch auf einem gewissen Erspüren der Umgebung basiert, widmete ich mich dem zweiten Teil. Dem Erspüren von Mensch und Tier. Das gelangt mir sogar noch schneller. Lange bevor ich jemanden sah, konnte ich ihn spüren. Es sind wie Wellen, die sich verschieben, ähnlich den Kreisen, wenn man einen Stein ins Wasser geworfen hat. Mit der Zeit fand ich auch heraus, dass Menschen viel intensiver ein Ungleichgewicht hervorrufen als Tiere. Mit der Zeit konnte ich mich auch quasi "unsichtbar" machen. Die anderen Pilzsammler gingen an mir vorbei, ohne mich zu bemerken. Manch einer hat sich zwar instinktiv suchend umgesehen, konnte mich aber nicht entdecken. - Das war eine erstaunliche Erfahrung für mich und auch heute noch nutze ich das Wissen, wenn ich mich im Gelände bewege. Schliesslich ist es besser, einem Wildschwein auszuweichen als es aufzuschrecken ...

Einen Urinstinkt haben wir Menschen beibehalten, wenn auch in abgeschwächter Form: den Nesttrieb. Die Muttertiere fangen schon lange vor der Geburt an, ihr Nest zu bauen und auch bei Schwangeren konnte beobachtet werden, dass sie kurz vor der Geburt anfangen, ihr Haus auf Vordermann zu bringen. Ich schleppte dafür sogar einen Sessel aus dem Dachgeschoss in den Keller. Ich weiss ... man kann es auch übertreiben ... also nicht zur Nachahmung empfohlen ! Überhaupt ist die Verbindung zu Mutter und Kind noch sehr stark vorhanden. Mit ein wenig Übung weiss eine Mutter über Hunderte von Kilometern, ob es ihrem "Jungen" gut geht oder nicht. Meine Mutter hatte da einen besonderen Draht: immer wenn es einem von uns schlecht ging, rief sie unerwartet an und fragte, wo der Schuh drückt. Mir ersparte dieser Draht, so manche schlaflose Nacht, insbesondere, während der Pupertät, als meine Jungs oftmals ohne Zeitgrfühl unterwegs waren. Schlimm wurde es allerdings für mich, wenn ich spürte, dass etwas im Busch ist und ich sie nicht erreichen konnte.

Vor Jahren las ich eine Kinderbuchtrilogie, die mich ungemein beeindruckt hat. Ein Band hiess, glaube ich "Das Geheimnis der Isis" - ich kann mir Namen und Titel sehr schlecht merken... Die Bücher handelte von Menschen und Menschen, die auf den Mond ausgewandert sind. Das wirklich Erstaunliche war dabei, dass sie von Generation zu Generation immer mehr Wissen verloren haben, so wie wir Menschen. - Wir häufen zwar eine Menge neues Wissen an, wie: was ist ein I-Phone, Bits, Bytes, Gen etc. pp. - doch das essentielle Wissen geht darüber immer mehr verloren. Wer weiss noch um die Naturheilkräfte und welches Kraut gegen was hilft, wer kann noch die Zeit nach dem Stand der Sonne bestimmen, wer den Weg nach den Sternen und wo es Wasser gibt ? Wer weiss noch, was man in der Natur essen kann und was man tunlichst meiden sollte? Immer weniger Menschen.

Doch was bleibt von unserem heutigen Wissen ohne Strom, Elektrizität, fliessend Wasser und Supermarkt 
???????

Ich kann mich noch daran erinnern, als vor einigen Jahren nach einem Sturm an Weihnachten viele Menschen über Tage ohne Strom blieben. Freunde aus der Stadt, die in einem Hochhaus in Wohnungen mit Zentralheizung lebten, riefen mich an: sie froren im Dunkel und hatten nicht einmal fliessend Wasser, konnten sich nichts zu essen kochen - sie waren im Grunde total hilflos und was noch viel schlimmer war, sie wussten nichts mit sich anzufangen. Wir hatten auch drei Tage lang keinen Strom, dafür aber das unsagbare Glück eines Kohlebeistellherdes und wie immer einen grossen Vorrat an Kerzen im Haus: So war es mollig warm bei weihnachtlichen Kerzenschein und es brutzelte sogar die Weihnachtsgans und 

was das Schönste war: wir hatten Zeit füreinander. Das war wohl das schönste Weihnachtsgeschenk !


copyright Julietta Günther





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