Freitag, 25. November 2022

Rückbesinnung und neue Wertigkeiten

Vermutlich geht es mir so wie vielen, die das Weltgeschehen um sich herum betrachten. Ich bin wütend, traurig, aber vorallem sehr nachdenklich.
Meine Sicht auf die Ereignisse, ist nicht allgemein gültig, sondern bezieht sich auf meinen Erlebnishorizont in der Welt und dem Land, in dem ich lebe. Hier ist das Leben weniger geprägt von Panikmache, Existenzängsten und Schwarzseherrei wie ich es in Deutschland erlebte. Die Menschen sind hier prakmatischer, nehmen Situationen eher als Fakt an und versuchen das Beste daraus zumachen. Menschen  die ohne Wasser oder Strom leben, sind hier keine Seltenheit.
 
Wir haben seit über einem Preisdeckel auf Sprit,  Energie und diverse Lebensmittel, auch Begrenzung auf Abgabemengen. Wir leben damit. Verstärkt tauchen Fahrräder im Straßenbild auf. Sie wurden für mich das Symbol der neuen Zeiten. Mit ihnen kommt man ohne Sprit von A nach B, selbst um Licht zu produzieren lassen sie sich einsetzten. Die syrischem Flüchtlingen benutzten sie  um über die schwedische Grenze zu gelangen. Sie ermöglichten den russischen Soldaten die Flucht aus Cherson. Die Fahrräder zeigen  mir, dass in der Bevölkerung ein Umdenken in Gang gesetzt wurde. Man besinnt sich mehr auf die grundlegenden Dinge. Die Leute haben sich bereits durch Corona und Ausgangssperren darauf  eingestellt. Die immense Preissteigerungen werden damit kommentiert, dass man jetzt Vorsorge treffen muss,  weil man nicht weiß wie es im Januar aussieht.

Es wird gespart: Benzin, Gas, Brennholz usw. Vorräte werden verstärkt angelegt. Selbst in Deutschland wurde der Gemüsegarten wieder trendy und ist seinem verstaubtem fünfziger Jahre Schrebergarten Image entwachsen. 

Die Konsumgesellschaft wurde aus ihrer Komfortzone geschubst und siehe da, sie wird kreativ. Der Ruf nach Vater Staat, der es richten muss  wird leiser, immer mehr Menschen begreifen, dass man selber aktiv werden muss. 

Schon durch corona, Ausgangssperre und Co. setzte die Umbesinnung ein. Ein Wir-Gefühl begann zu wurzeln.
Hier wurden Mittagessen an die Schul- und Kindergärten, die Alte und Kranken ausgeliefert. Der Schulunterricht wurde in die Familien verlagert. So mussten sich gezwungenermaßen sich die Eltern damit auseinandersetzen und  sich mit ihren Kindern beschäftigen. In den Gemeinden gab es Notfallnummern.  Den Quarantäne Patienten wurden Lebensmittel und Medikamenten besorgt, ggf auch für gehacktes Brennholz gesorgt. Das Wir-Gefühl bekam ein neues Outfit.

Dann  begann Russland den Krieg gegen die Ukraine. Ukraine, ein Land, das wohl für die meisten Westeuropäer so fern war wie der Mond. Nun unterstützen Menschen die Ukrainer auch mit dem Risiko eigener Nachteile oder Einschränkungen in eigener Bequemlichkeit. 

Der Mensch kümmert sich wieder um seine Mitmenschen, zeigt sich solidarisch mit Schwule, Lesben, Transgender, Andersartige. Holt die Menschen aus der Isolation in die Mitte der Gesellschaft.

Es ist eine Zeitenwende bei der Menschen mit einer Kraft an die Öffentlichkeit treten, denen kaum jemand etwas zutraute. Egal, wie man zu einzelnen Personen steht. Starke Persönlichkeiten haben die Bühne betreten. Es existiert ein Präsident Selenskyj, der es schafft trotz extremer Lage sein Volk Kraft und Mut zu geben, sowie andere Länder zu motivieren.

Starke Frauen, deren Stimme Gehör finden, betreten die Bühne. Für mich verdienen Frauen, die sich in einer männerdominierten Welt ein Gehör  verschaffen, meinen Respekt.
Politikerinnen  wie Annalena Baerbock, Ursula van der Leyen, Frauen Irans, u.v.m , geben Richtungen vor. Frauen die von Russland als  "aggressive westliche Frauen" bezeichnet werden. Dabei übersehen sie ihre Soldatinnmütter, die sich durch Lügen und Propaganda nicht mehr einschüchtern lassen, sondern laut werden und nachfragen. Journalistinnen,  die offen Protest üben. 

Da sind die Frauen, die gegen Kopftuchzwang und Unterdrückung auf die Straße gehen. 

Frauen, die ihr Recht auf ihren eigenen Körper einfordern und gegen Abtreibungsverbot protestieren. Kein Mann sagt ihnen im Gegenzug, wie sie in finanzieller Notlage in der Lage sein sollen, ein Kind grosszuziehen. Nachdem fast jede dritte Ehe geschieden wird, liegt der Pack alleine auf ihren Schultern.

Es waren die Trümmerfrauen, die mit blossen Händen die Städte wieder aufbauten. Soldatenwitwen, die ihre Kinder alleine groß zogen. In ihrem Händen lag der spätere Wohlstand. 

Seit Tagen spukt mir die Liedzeile "wozu sind Kriege da?" (Udo Lindenberg)
durch den Kopf.

Vielleicht sind sie genau dazu da, dass die Menschheit wieder geerdet wird, dass sie sich rückbesinnt auf das was wirklich wichtig ist:
Familie, Freunde, gleichwertige Menschen, ein Volk, Toleranz, Akzeptanz und ein friedliches Miteinander - nicht nur zu Weihnachten.

Copyright Julietta Günther 















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