Samstag, 19. November 2022

Murphys Gesetz

Manchmal frage ich mich, ob ich besonders prädestiniert bin, dass bei mir Murphys Gesetz in geballter Form auftritt. Wenn schon Chaosprogramm, dann nicht einfach, nein - es folgt eines nach dem anderen.

Eines Tages wollte ich mir einen Tee machen. Während das Wasserkocher warm wurde, beschloss ich die trockene Wäsche von der Wäschespinne im Garten abzunehmen. Ich war keine fünf Minuten draussen. Gerade als ich wieder ins Haus wollte, hörte ich ein seltsames Geräusch aus dem Haus kommen. Bei mir kommt man von draussen direkt in die Küche. Als ich die Eingangstür öffnete, blieb ich wie angewurzelt stehen. Ich sah nichts mehr oder besser gesagt, ich stand vor einer rabenschwarzen Wand, die nicht einmal das Tageslicht vom gegenüber liegenden Fenster durchscheinen liess. Während ich noch versuchte zu begreifen, was ich sah, flackerten Flammen auf. Im Schein des Lichtes nahm ich wage die Umrisse des Wischeimers wahr, schnappe ihn und goss das Wischwasser in Richtung Flammen. Ich sah vor Schwärze buchstäblich die Hand vor Augen nicht. Dann tastete ich mich Richtung Fenster, riss alle auf. Auf allen vieren krabbelte ich in den ersten Stock, um da die Fenster zu öffnen und meine Hunde zu suchen. Auf der Treppe kamen mir meine beiden Hunde entgegen, die oben in ihrem Körbchen geschlafen hatten. Das heisst eigentlich merkte ich nur ihre feuchten Hundeschnauzen. Ich war ich heilfroh,  dass ihnen nichts passiert war. Ich bugsierte sie nach draussen. Als die schwarze Wand sich verzogen hatte, kam langsam die Bescherung. Die noch qualmende Arbeitsplatte schnappte ich, warf sie über die Terasse in den Garten. Von den Wasserkocher war nichts mehr übrig. Na ja, nach Tee stand mir eh nicht mehr der Sinn, ein Schaps wäre eher angedacht gewesen. Resümee des Ganzen: Tee gab es keinen, für die Zukunft wurde auch kein Wasserkocher mehr angeschafft. Bei allen Kleingeräten wie Kaffeemaschine usw ziehe ich seitdem den Stecker. Meine Küchenschränke waren teilweise verbrannt, alles war kohlrabenschwarz. Der Qualm hatte sich bis in den ersten Stock verteilt und sich selbst in den Kleiderschränken breitgemacht. Mehrfach passierte es, dass ich irgendetwas anzog und feststellen musste, dass ich russgeschwärzt war. Einige Fliesen waren abgefallen, Steckdosen verschmort, das Wischwasser traf eine Steckdose, weshalb ich tagelang keinen Strom hatte. In den darauffolgenden Wochen bemerkte ich, dass auch meine Kochlöffel, einige Bretter und mein Toaster in Rauch aufgegangen waren. Stunden um Stunden musste ich Decken, Wände, Möbel abwaschen und streichen, sämtliche Wäsche von Hand waschen. Küche und Geräte neu einrichten bzw ersetzen. Besonders Klasse, wenn man eh nicht so viel Geld hat und es keine Versicherung gibt.

Das waren mal
 cremefarbene Küchenmöbel und was wie eine Schlange anmutet, war die Küchenleuchte unter dem Schrank

Noch immer bin ich nicht fertig.

Erst kürzlich dachte ich, dass ich ganz schön leichtsinnig war. Der Qualm war fast geruchlos, aber sicher nicht ungefährlich. Doch daran dachte ich in dem Moment nicht. Feuer löschen, Fenster öffnen und meine Tiere in Sicherheit bringen, das Programm spulte ich automatisch ab, alles andere war ausgeblendet.

Die Nachwirkung des Feuers noch nicht bewältigt, packte mich Murphy schon wieder. 

Gemütlicher Samstagabend, schaute fern und muss dabei eingeschlafen sein. Waren vermutlich Nachrichten. Die schaffe ich nie bis zum Wetter. Ein Knall weckte mich. Als ich die Augen öffnete, sah ich geradewegs in die Flammen, die aus dem Fernseher loderten. Jetzt standen aber die Geranien auf der Fensterbank und das Fenster konnte ich nicht so schnell öffnen. Ich raste ins Schlafzimmer, riss die Balkontür auf, peste wieder ins Wohnzimmer schnappte mir den Fernseher, wieder zurück durchs Schlafzimmer, zwischendrin schmolz das Chassis vom Fernseher und hinterliess überall brennende Laachen. Raus in den Garten. Muss 'ne heisse Sendung gewesen sein! Blöderweise lag unter dem Fenster noch der tonnenschwere alte Fernseher,  den ich wegen des Gewichts nur durchs Fenster aus dem Haus bekam. Den hatte ich am Tag zuvor rausgeworfen. Der brennende fiel auf den anderen und so brannten beide trotz Löschwasser noch eine gute Stunde. Die brennden Pfützen im Wohn- und Schlafzimmer konnte ich nur mit Mühe löschen. Zum Glück war ich schnell genug und meine Dachschräge unter der der Fernseher stand, war nicht in Brand geraten. Nun denn, jetzt hatten die bereits vom ersten Brand verrusten Wände, nochmals etwas schwarzes make up aufgelegt. Dafür aber lag dieses Mal ein beissender Geruch in der Luft. Kürzlich nahm ich ein Buch aus dem Regal. Verflixt nochmal! Ich dachte, ich hätte inzwischen alles abgewaschen.

Na ja, wer keine Arbeit hat, bekommt sie eines Tages dicke ... zumindest scheint dies mein Karma zu sein.

Aber es wäre zu schön um wahr zu sein, wäre das das letzte Chaosereignis in dieser Reihe gewesen. Ich freute mich schon auf Weihnachten und begann die Wohnung auf Weihnachten zu krempeln. Eines Nachmittags komme ich in den oberen Stock, ins Art Gästezimmer, bzw was es mal werden soll. Und was erwartet mich da? Nee, dies Mal kein Feuer, sondern ein anderes Element. Wasser! Indirekt. - Die komplette Deckenverkleidung war runter gekommen. Durch Pfusch am Bau war bei der Dachisolierung offensichtlich die falsche Folie verwendet worden. Gipskarton, Folie, Gipskarton als Sandwich. In der äusseren Platte liess sich die Feuchtigkeit von aussen nieder, die innere saugte sich mit dem Kondenswasser aus den Räumen voll. Irgendwann war sie so schwer, dass sich die Unterlattung ausbreitete, nach aussen bogt, die Schrauben die schwer gewordenen Platten nicht mehr halten konnten, sich von der darunterliegenden lösten und - klatsch kam mir die Decke entgegen. Das gleiche geschah kurz darauf im Schlafzimmer. Tja und gestern Abend folgte das Wohnzimmer und Treppenhaus. Wer denkt, damit war Ruhe, der irrt! An der Folie lief das Wasser herunter. Als die weg war, tropfte es wochenlang von der darunter liegenden Verkleidung. Insgesamt dauerte es gute drei Monate bis der Mist abgetrocknet war. Kam mir schon vor, wie in einer Tropfsteinhöhle. An Weihnachtsdeko und Gäste war nicht mehr zu denken.

Und damit mir ja nicht langweilig wird ... gerade als die Wände so weit trocken waren, dass ich mit der Renovierung hätte weiter machen können ...

Ich kam mit dem Korb mit der Schmutzwäsche die Wendeltreppe runter. Normalerweise laufe ich aussen und nicht innen, wo manche Stufen nur drei Zentimeter breit sind. Irgendwie verhackte ich mit dem Wäschekorb in Höhe der Geschossdecke und lernte das fliegen. Kostenloser Flug aus dem ersten Stock. Am Ende der Treppe landete ich auf den Fliesen und letzten Stufen, Stufenkante knapp drei Zentimeter über dem Genick. Gebrochene Rippen, riesen Beule am Hinterkopf, Gehirnerschüttterung und einen gebrochenen Ellenbogen. Letzteren bemerkte ich zuerst garnicht. Erst Tage später als wir die rund sechzig Kilo schweren Oleanderkübel hievten, bemerkte ich, dass etwas nicht stimmt. Irgendwie hat der Arzt es auch nicht ernst genommen, verschrieb mir eine Creme. Tage später bin ich wieder hin, als es im Ellenbogen piekste und ich mich nicht darauf aufstützen konnte. Also wurde ich zum Röntgen geschickt. Der Arzt glaubte mir noch immer nicht, dass er gebrochen war. Seit dem Freiflug waren inzwischen gute zwei Wochen vergangen. Selbst der Röntgenarzt dachte vermutlich, ich simuliere. Als die Röntgenbilder kamen, schaute mich der Arzt, die Schwester und die Sprechstundenhilfe an, als käme ich von einem anderen Stern. Er meinte, er wäre gebrochen. Worauf ich antwortete "das sagte ich doch". Ob ich denn keine Schmerzen hätte? Nö, müsste ich denn? Auf jeden Fall könne er jetzt nichts mehr machen, der Unfall sei schon zu lange her. Wäre auch noch schöner, wenn ich jetzt ins Krankenhaus verfrachtet worden wäre. Darauf hatte ich nun überhaupt keinen Bock! Insgesamt brachte mir mein Flugversuch drei Monate Therapie ein. Erst Krankengymnastik, damit ich meinen Arm mehr wie zehn Zentimeter vom Körper abheben konnte. Dann wurden meine mittleren Finger taub, erst die eine Hand, dann die andere. Man hätte meinen können, bei mir wäre jeden Tag Polterabend. So hatte ich bald buchstäblich nicht mehr alle Tassen im Schrank. Da ich die Finger nicht spürte, entglitt mir ständig Geschirr. Die Ärzte haben mich besser hinbekommen wie vorher, aber die Renovierung lag brach.

Jetzt reicht's! 

Es war Halloween. Statt die Wintergeister zu vertreiben, habe ich daran gemacht, Murphys Gesetz zu brechen. 


Copyright Julietta Günther


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