Sonntag, 13. November 2022

Wo ist die Tarnkappe?

Als meine Kinder klein waren, gehörte ich zur Katagorie "Rabenmutter", weil ich trotz Kinder arbeiten ging. (Allerdings konnte mir schon damals keiner sagen, womit ich meine Kinder ernähren sollte, wenn ich kein Einkommen hätte). 

Wie auch immer - 

Ich war durch meine Arbeit in der Lage, eine Tagesmutter zu bezahlen. So brachte ich meine Jungs vor der Arbeit dort hin und holte nach der Arbeit sie wieder ab. Die ersten Jahre benutze ich mit meinem Ältesten die S-Bahn und wir waren nicht nur durch die Regelmässigkeit, sondern  insbesondere dadurch bekannt, dass Sohn immer irgendwelche Kapriolen machte. Er war ein Strahlemann mit blauen Augen, dem die Fahrgäste bereitwillig ihren Fensterplatz überliessen. Hauptsächlich fiel der Knirps damit auf, dass er  zum Entertainer der Fahrgäste wurde und für manche Lacher sorgte. 

In unserem täglichen Reisegepäck befand sich nicht nur der Korb mit seinen Lieblingsplüschtieren, die ihn überall hin begleiten mussten, sondern auch diverse Bilderbücher und sein über zweihundert seitenstarkes Tierbuch in dem jedes Seite ein Tier abgebildet war. Er war noch keine zwei Jahre alt als er fast alle mit Namen benennen konnte und ganze Bandwurmsätze sprach.

Die Fahrgäste kannten bald alle Lieblingslieder der Tagesmutter. Mein Sohn trällte sie fröhlich in nicht überhörbarer Lautstärke vor sich hin. Nur bei dem Lied "Die Glocken von Rom" hatten manche Probleme es zu erkennen. Mein Sohn hatte daraus "Die Gurken von Romm" gemacht, mit starker Betonung auf einen kurzen "Romm", was wie ein Paukenschlag klang.

Eines schönen Sommertages waren wir auf dem Heimweg. Ich trug ein Sommerkleid mit Stufenrock und Carmenausschnitt. Letzterer war mit Gummizug in Form gebracht worden. Wir schauten ein Bilderbuch von einem Bauernhof an. Dort waren jeweils die erwachsenen Tiere mit ihrem Nachwuchs zu sehen. Junior fragte mir Löcher in den Bauch. "Was ist das?" Die Kuh und ihr Euter hatten ihm besonders angetan. Ich sagte ihm, es sei ein Euter aus dem die Milch für die Kälbchen heraus käme. Mein Sprössling wiederholte ein paar Mal recht andächtig das Wort "Euter". Es rumorte in seinem kleinen Köpfchen. Mit einem Mal drehte er sich um, packte meinen Carmenausschnitt, zog ihn runter und klatschte mit seinen kleinen Patschehändchen auf meinen blanken Busen, lautstark verkündigte er 

"Du auch Euter!"

So sass ich da mit blanken Busen in einer vollbesetzten S-Bahn mit puterrotem Kopf, während alle Fahrgäste gröllten vor Lachen.

Mich erstaunt bis heute, wie der kleine Mann die Verbindung vom Kuheuter zu meiner Brust kombinieren konnte.

Ein anderes Mal sass uns gegenüber ein junger Mann, der eingeschlafen war. Mein Sohn betrachtete ihn ausgiebig und ich merkte, dass ihn irgendetwas beschäftigte.

Mit einem Mal stiess mein Spross einen ohrenbetäubenden Schrei aus. Alle Fahrgäste schauten auf. Der junge Mann schreckte reichlich verdaddert aus seinem Schlaf auf. Worauf mein Sohn in entspechender Lautstärke, ganz trocken bemerkte

"Jetzt ist er wach!" Alles lachte und der junge Mann wusste garnicht wie ihm geschah.

So brachte mein Sprössling mich das ein oder andere Mal in Verlegenheit.



Copyright Julietta Guenther



1 Kommentar:

  1. Hallo meine liebe Freundin, ich finde es super, das Du wieder schreibst. liebe Grüße aus Berlin

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