Mittwoch, 21. Dezember 2022

20 - Mikesch , der kĺeìne Kater Naseweis - Teil 20

 ... Der Abend klang gemütlich aus. Sie spielten zusammen ein paar Runden "Mensch ärgere dich nicht" und lachten, dass sich die Balken bogen. Mikesch ist ein schlauer Kater. Er wusste, dass ein dicker fetter Fisch eine leckere Mahlzeit wird. Zwei hingegen reichen für die ganze Woche. Viel weiter reichen seine Zählkünste aber nicht und obendrein verstand er die Spielregeln nicht. So verzählte er sich ständig, lief auf dem Feld rückwärts oder benutzte die Figuren seiner Mitspieler. Es gab immer wieder Proteste und viel Gelächter.  Zwischendrin konnte man fast den Eindruck bekommen, Mikesch machte absichtlich Fehler, um die anderen zum Lachen zu bringen. Wer weiß? Und Mikesch wird es nicht erzählen.

Auch das schönste Spiel hat ein Mal ein Ende. Am nächsten Tag war Schule und die Kinder mussten schlafen gehen. Mikesch legte sich ein wenig vor den Kamin und döste vor sich hin. Pittyu und Mariella hatten es sich auf dem Sofa bequem gemacht. Irgendwann bemerkte Mikesch, dass die beiden alleine sein wollten und er trollte sich.

Am nächsten Morgen herrschte das übliche Treiben. ... und teils chaotische Zustände...

Sane wollte unbedingt ihr Häschen  Schneehäschen mit in den Kindergarten nehmen und weinte bitterlich als die Eltern es nicht erlaubten.

Lea suchte verzweifelt ihren zweiten Schuh. Fand ihn letztendlich in dem Puppenwagen. 

Und Poul fiel siedendheiss ein, dass er nicht alle Hausaufgaben gemacht hatte, wofür er von Mariella ein Rüffel bekam. Schnell kritzelte er etwas in sein Heft. Das Ergebnis sah eher aus, als wäre eine wildgewordene Vogelschar durch Tinte marschiert und dann über das Schulheft gelaufen. Hatte Ähnlichkeit mit Hieroglyphen. 

Dann war es mit einem Mal ruhig im Haus. Mikesch hatte sich bis dahin sicherheitshalber nicht aus seinem Körbchen bewegt. 

Pittyu hatte seinem Nachbarn versprochen zu helfen. Dessen Kuh kalbte und alles wartete gespannt, dass das Kälbchen geboren wird. Mariella hatte einen Friseurtermin und der Wochenendeinkauf stand an.

So hatte Mikesch Zeit, die Gegend zu erkundigen. Er stand eine Weile planlos vor dem Haus, dann beschloss er in den Ort zu gehen. Selbst von Nahem sah der Ort mit seinen paar hundert Bewohner nicht wie eine Stadt aus. Es gab aber alles  Lebensmittelladen, Post, Bank, Friseur, uvm.

Vom Geruch nach frischem Fisch betrat Mikesch den Laden. Wie ihr wisst, hat Mikesch eine Schwäche für Fisch. Er stand noch unschlüssig im Eingang als er merkte, dass ihn jemand beobachtete. Als er aufschaute blickte er in ein Paar dunkle Mandelaugen einer jungen, zierlichen Frau.

"Na nu, eine neue Schnauze in der Stadt!" Hörte Mikesch sie sagen. "Ich bin Li". Höflich wie Mikesch ist erwiderte er den Gruß und reichte ihr seine Pfote. Um diese Uhrzeit verirrte sich kaum Kundschaft in den Laden und so hatten sie Zeit zu plaudern. Li erzählte, dass sie aus Peking, auf chinesisch Beijing, stammt. Beijing, bedeutet die nördliche Hauptstadt. Es gibt auch Nanjing (für die südliche), Dongjing (westlich, die heute aber nicht mehr zu China gehört) und Tianjin (östlich). Praktisch, nicht? 

Li berichtet von der verbotenen Stadt mit 890 Paläste und mal schlappe 9999 1/2 Zimmer. Ob die mal je jemand gezählt hat? Sie erzählte Mikesch, dass sie schon zehn Jahre auf den Färöer Inseln lebt und einmal im Jahr ihre Familie in China besucht. Dann lässt sie es auch nicht nehmen, ihre Lieblingsplätze zu besuchen. Das zum einen der Sommerpalast mit seinen wunderschönen Landschaftsgärten, dem See und seinem steinernen Boot, sowie den bunt bemalten Toren. Am liebsten ist sie im Wandelgang mit den rund 8000 Bildern. Sie kann sich nie sattsehen an den Landschaftsbilder, auf denen sie immer wieder Neues entdeckt mit den farbenfrohen Vögel, der Vielzahl an Blumen und Blüten. 

Als Li von den vielen Wolkenkratzern erzählt, staunt Mikesch nicht schlecht. Irgendwie hatte er sich China immer mit kleinen Häuschen und Chinesen in blauer Kleidung und langem weissem Bart, auf dem Fahrrad vorgestellt. Dass Peking eine moderne Großstadt sein könnte, war so garnicht auf seinen Focus. Aber Li erzählte auch von der anderen Seite der Stadt mit den alten Hutongs. Die meisten sind inzwischen renoviert, aber es gibt noch welche, aus denen man schnell wieder raus will. Hutongs sind traditionellen, alten Stadtteile, die von einer Mauer umgeben sind, in der Mauer findet man auch Toilette und Waschräume. Manchmal lebt sogar die Toilettenfrau in einer Nische in der Toilette. Die Toiletten sind oft nur ein Loch im Boden, über dem man hockend sein Geschäft verrichtet. Da darf man sich nicht wundern, wenn Männlein neben Fräulein hocken oder der neben einem hockende Mann Zeitung liest und so ganz nebenbei fragt, woher man kommt. 

Andere Länder, andere Sitten! 

Manche Hutongs haben so enge Gassen, dass man gerade einmal zu zweit aneinander vorbei kommt. Von den Gassen führen die Eingänge der kleinen Wohnhäuser, von denen heute noch viele nicht an Wasser oder Kanalisation angeschlossen sind. Es gibt bei den Häuser kleine Innenhöfe in denen sich allerhand Getier tummelt. Es mache Li immer traurig, wenn sie dort den Zustand der Tiere sieht: kranke Hunde mit Räude, heruntergekommene Katzen und von dem Federvieh will lieber sie garnicht erzählen. Als Li davon erzählte, beschloss er lieber doch nicht dort hin zu reisen. Um die düsteren Gedanken zu verscheuchen, berichtete sie noch von ihrem anderen Lieblingsort, dem Künstlerviertel 798. Sie sagte, dass ist eine ganz andere Welt, eine bunte Mischung aller Kunstrichtungen. Dann schmunzelte sie und meinte  das Schöne ist, dass man dort auch in fast jedem zweiten Haus eine Garküche finden kann, wo man günstig und gut essen kann. Sie liebt es zu essen - da hat sie etwas mit Mikesch gemeinsam. 

Der kleine Kater hätte Li noch stundenlang zuhören können, aber leider kam Kundschaft in den Laden  und Li musste wieder an die Arbeit. 

Als Mikesch wieder draussen stand, verspürte er wieder eine Spur von Heimweh. Doch es tauchte in seinen Gedanken auch die Frage auf, wo eigentlich seine Heimat sei.


.. Fortsetzung folgt ...


Copyright Julietta Günther 

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