Montag, 26. Oktober 2015

"Unsere kleine Farm" - 2015-10-26

Heute scheint die Sonne und die Temperaturen sind um gute 10° höher als vergangene Woche. Jetzt kann ich endlich anfangen, die Apfelernte vorantreiben. Die Ernte ist dieses Jahr enttäuschend. Die Bäume waren brechend voll, doch die Trockenheit hat die Bäume veranlasst, viele Früchte vorzeitig abzuwerfen. Jetzt hat der Starkregen der letzten Wochen, die Äpfel platzen lassen. Doch der Regen hat den verbleibenden gesunden Äpfel auch gut getan. Durch die Dürre waren die Früchte extrem kleingeblieben, doch nun hängen Äpfel von fast einem halben Kilo Gewicht an den Ästen. Die Äpfel sind eine spannende Angelegenheit. Bis ich hier her kam, kannte ich nur ein sehr begrenztes Sortiment an Äpfeln. Doch hier bin ich ständig auf Entdeckungsreise. Der frühere Eigentümer des Grundstückes muss eine Vorliebe für Äpfel gehabt haben. Auf über 300 Bäume verteilt gibt es unzählige Sorten. Frühe Sorten, die bereits im Juni reif sind und später, die erst kurz Weihnachten abgenommen werden. Richtig spannend ist das Geschmackserlebnis. Dauernd treffe ich auf Neues. Manche, die schmecken süss, manche sind säuerlich, andere wieder schmecken nach Vanille, Ananas oder Mandel. Auch gibt es welche, die ich eher als aromatisch herb bezeichnen würde. Sorten, die ich noch nie in einem Supermarkt je gesehen habe, rote, grüne, gelbe, gestreifte mit weissen, hellgelben, dunkelgelben, rosanen Fruchtfleisch und sie duften. Alleine das ist schon ein Erlebnis. Und richtig spannend wird es dadurch, dass sich der Geschmack je nach Reifegrad verändert. Seit Mai vergeht kein Vormittag an dem ich nicht, durch die Reihen gehe und mir mein Frühstück direkt vom Baum hole - doch immer mit unseren Junghunde im Schlepp. Die Hunde lieben Äpfel, allerdings nur die süssen und saftigen. Sie schnuppern immer erst an ihnen und dann suche sie sich die passenden aus. Doch wenn ich nicht aufpasse, dann klauen sie sie mir aus meiner Obststeige.

Witzig war auch als die Kirschen reif waren. Unsere "Gangster" haben alle Kirschen aufgegessen, die auf den Boden fielen. Einige Kirschbäume stehen direkt neben dem Hundegehege von unserm Rudel. Als ich beim Ernten war, standen alle in Reih und Glied am Zaun und warteten, aber wehe ich ging weg ohne, dass sie ihre Ration Kirschen erhalten hatten. Dann war der Teufel los, ein sechsstimmiges Protestgeheul, in das auch noch die anderen mit einstimmten. Ich musste sie dann immer der Reihe nach mit den Kirschen füttern.

Unser Obst und Gemüse hat noch nie Pflanzenschutzmittel oder sonstige Chemie gesehen. Auch unser Vieh erhält nur natürliches Futter. Dies ist zwar um einiges aufwendiger in der Futterbeschaffung, aber das macht sich in der Qualität bemerkbar. Das Fleisch unserer Schweine ist wesentlich dunkler als das aus dem Laden und der Speck ist richtig schön marmoriert. Doch auch unser Obst und Gemüse steht mittlerweile in der Qualität und Quantität nicht hinten an. Die ersten Jahre war allerdings die Qualität saumässig. Die Bäume waren über Jahre nicht gepflegt worden und wir hatten Obst, das nicht nur von Würmern heimgesucht war. Die letzten Jahre habe ich als Laie den Obstbaumschnitt vorgenommen und einiges aus meinen Schneidefehlern gelernt. Dieses Jahr hingen die Bäume voll, es gab keinen Mehltau, Schorf und fast keinen Madenbefall. Es wird zwar noch einige  Zeit brauchen, bis einige Bäume sich von Männes Schneideaktion erholt haben. Er hat sich mit einem Rundumschlag mit der Motorsäge versucht und das haben ihm einige Bäume übelgenommen. Upss !! Doch wer sich als Amateur in die Landwirtschaft wagt, macht einfach Fehler. Wie jeder andere auch, der sich auf neuer Terrain wagt.

Aber wie heisst es in dem Sprichwort " Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen "

Wir habe in den ersten Jahren viel Lehrgeld zahlen müssen, insbesondere bei den Tieren. Männe hat immer zuerst die Tiere gekauft oder durch irgendeinen Tauschhandel organisiert und dann sich um die Unterkunft der Viecher gekümmert. Das ging einige Male gründlich schief. Was wir uns darüber gezofft haben, dass schreibe ich lieber nicht - denn bei diesem Thema prallte seine ungarische Mentalität "es wird schon werden!" und meine deutsche "das muss geplant werden!" gründlich aufeinander. Da hing so manches Mal der Haussegen gewaltig schief und ich war temperamentvoll auf 180, während Männe verschwand und für Stunden nicht mehr gesehen ward, Meistens fetzten wir uns noch eine Weile bis wir irgendwann einander ansehen und meinten : "Wir sind ganz schön blöd" und lachten.

Auch gab es Rückschläge durch falsche Ernährung oder sonstiges. War manchmal mehr als ungeschickt, wenn das neue Tier statt zum Aufbau der Herde  kurz darauf im Kochtopf landete, weil es sich beispielsweise eine Hinterläufe gebrochen hat. Aber welcher Amateur-Bauer denkt daran, dass das Schwein sich plattmacht wie eine Flunder und unter dem Zaun durchrobben will, stattdessen aber mit den Hinterbeinen hängenbleibt.  Kein "Schwein gehabt" - aber es hat trotzdem gut geschmeckt. ;-) - Inzwischen habe ich mich auch daran gewöhnt, dass Männe, der früher schon Nutzvieh im kleinen Rahmen hatte, bei jedem neuen Tier lakonisch meinte "Das gibt ein gutes Gulasch" (sinngemäss übersetzt).

An das Schlachten habe ich mich noch immer nicht gewöhnt, da geh ich dann stiften ........ und komme erst wieder wenn dass Schlimmste vorbei ist und um das Küchenchaos nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Schlachttage gehen meist feucht fröhlich zu. Man lädt sich der Reihe nach dazu ein. Das war für mich auch gewöhnungsbedürftig, dass man zur Arbeit eingeladen wird. Denn so ein Schlachttag ist richtig Arbeit. Aber so mancher Schlachttag endete auch darin, dass so manch einer, der zum Schlachten rief, den Ende des Schlachttages nicht mehr erlebt hat, sondern mit einem reichlich grossen Affen in der Koje landete und schnarchte. Da kann ich Euch Geschichten erzählen ....

Einmal hatte einer unserer Freunde zu dem Schlachten gerufen. Es war Anfang Dezember. Die Tage vorher hatten wir noch über 20 Grad, plus wohlgemerkt, doch - just an dem Tag wandelte sich das Wetter von Spätsommer in Winter und es schneite, was vom Himmel kommen konnte und obendrein war es kalt geworden. An dem Tag standen zwei grosse Schweine auf dem Plan, mit Wurstmachen (Kochwurst und Rauchwurst), Salami, Schinken, Schmalz und Grieben. Also verflixt viel Arbeit ! - Geschlachtet wird im Freien und kaum waren die Männer draussen, so sahen sie aus wie Schneemänner. Sie kamen immer wieder rein und wechselten sich mit dem Auftauen und Aufwärmen ab. Doch dabei floss auch ungarischer Wein und hausgemachter Palimka (Schnaps) die Kehlen runter. Am Ende hatten wohl alle mehr oder minder einen in der Laterne und die Frauen in der Küche wurden zusehends wütender, zumal alles etwas langsamer vorang ging. Wenigstens der Hausherr oder die Hüterin des Schlachtens sollte dabei nüchtern bleiben, sonst ist so manche Wurst schon versalzen worden ... und das sollte nun einmal wirklich nicht sein ! ... Auf jeden Fall sind die Mannsbilder nach getaner Arbeit, in unserem Weinkeller gelandet, doch nicht ohne auf dem Weg dahin, noch einen Einkehrschwung in die Kneipe zu machen
... Ihr ahnt schon, was das Ende der Geschichte war ??? - nee, das könnt ihr nicht ... als ich nach Hause kam und der feuchtfröhlichen Kellerrunde ein Ende bereiten wollte, kam mir einer der Helfer entgegen. Na ja, eigentlich nicht mir, sondern den Hunden. Er ging also mit nicht mehr so festem Tritt auf die Hunde zu, hob die Arme wie ein Gespenst und machte immer, "Huh, Huh, Huh ..." - Die Hunde schauten ihn nur verständnislos an ... Aber es war ein Bild für Götter, als ein Kerl von einem Mann unsere Hunde gleich einem Gespenst erschrecken wollte. Noch heute lache ich herzhaft darüber  ... Irgendwann bemerkte er, dass er nicht die erwünschte Resonanz bekam und machte sich, durch den inzwischen halben Meter Schnee, auf den Weg nach Hause. Jetzt wohnten wir am Hang und er musste auf dem Nachhauseweg, einen Weg mit Treppen herunter, der nicht sonderlich beleuchtet war. Gerade als ich unten bei seiner Mutter anrufen wollte, kam ein junger Mann aus dem Dorf herauf und berichtete:

"Da kam ich also Nichts ahnend die Treppe hoch, als sich plötzlich im Dunklen im Schnee etwas Grosses, Schwarzes bewegte und auf allen vier Pfoten auf mich zu kam. Ich bekam einen riesen Schreck und dachte an einen Bären .... doch dann sah ich, dass das nur einer Eurer Schlachthelfer war. Dieser hatte sich wohl entschlossen, die Treppen auf allen Vieren hinunter zugehen. Ich hatte meine Liebe Not, ihn in den aufrechten Stand zu bewegen und nach Hause zu bringen " .....

Das wiederum konnte ich mir lebhaft vorstellen. Einen 120 Kilo Kerl mit reichlich Schlagseite, die Treppen hinunter zu bugsieren, das war sicher ein Kraftakt ...


Doch zwei Wochen später, war bei uns Schlachttag. Was wir aber nicht wussten, die Mannsbilder hatten sich verabredet, als Revanche für ihren letzten Kater, von vorhergehendem Schlachttag, meinen Männe abzufüllen ... und der ist nichts ahnend voll Karacho in die Falle getappt. Ich war mit den Vorbereitungen des Wurstens und der Sicherung der Ernährungslage im Haus beschäftigt und bekam das erst mit, als die Kerle allesamt mit knallroten Gesichtern herein kamen. Des Rätsels Lösung: sie haben den Wurstteig für die Salami verknetet und sich mit ihren vom darin enthaltenen Paprika, roten Händen, gegenseitig die Gesichter verschmiert. Als sie der glorreichen Idee verfallen waren, uns Frauen auch noch eine Gesichtsmaske verpassen zu wollen, habe ich sie aus der Küche komplementiert.... schlimmer wie die kleinen Kinder !!!..... doch das dicke Ende kam noch ...  - irgendwann bemerkte ich, dass es draussen seltsam ruhig war und stellte fest, dass die gesamte Mannschaft irgendwo hin verschwunden war und uns drei verbliebenen Frauen mit dem ganzen Wurstteig alleine gelassen haben. Ich kann garnicht sagen, wie laut ich fluchte. Damals war das Wurstmachen für mich damals ein absolutes Neuland und stand da mit rund 80 Kilo Wurstmasse ?!?!?! - Zum Glück kannte sich einer der Teenager aus und zu dritt kämpften wir uns durch die Kilos .... und ich habe zwei Tage danach noch kein Wort mit meinem Männe gesprochen ... Mann war ich sauer !!!!

Beim Schlachten erlebt man die dollsten Sachen ! Ganz zu schweigen, von den unzähligen Stories, die man sich danach erzählen kann. Irgendetwas fehlt meistens oder funktioniert nicht richtig: mal hatte die Hausfrau vergessen, die Därme für die Wurst zu kaufen, dann fehlte die Schnur zum Abbinden der Wurst, von fehlenden Gewürzen will ich erst garnicht erst reden. Klasse war es auch als der Befestigungssmechanismus der Abfüllmaschine fehlte und zwei Mann sie beim Füllen halten mussten ! Und manche Leute sind absolute Organisationstalente der besonderen Art: das Schwein ist geschlachtet und dann stellt man fest, dass angefangen vom Brühkessel, über die Zerkleinerungsmaschine bis hin zum heissen Wasser und Spülmittel quasi alles fehlt. Wenn dann auch noch der Hausherr und die Hausfrau dem Alkohol extrem angetan sind, dann folgt das dicke Ende spätestens am nächsten Morgen wenn die Hausherren in ihre Küche kommen. So geschehen : wir Helfer haben sich um das Schwein gekümmert, sind noch schnell in die Stadt gefahren, um das Nötigste einzukaufen, während andere im Ort die erforderlichen Utensilien zusammen getragen haben. Der Schwein zerteilt, der Schinken wurde eingesalzen, die Wurst gemacht, das Schmalz ausgelassen und das Fleisch kam in die Gefriertruhe. Wenigstens hatte die Hausfrau sich vor ihrem Totalausfall noch um die Versorgung der Helfer gekümmert und es bruzelte das Fleisch im Ofen - doch auch das Brot fehlte ... Wir haben uns um alles gekümmert, doch als die Küche nach dem Wursten aussah, wie ein Schlachtfeld, mussten wir feststellen, dass es weder warmes Wasser noch Spülmittel gab. - Fettige Gerätschaften kann man nun einmal beim besten Willen nicht mit eiskaltem Wasser reinigen, es sei denn man lebt in der Wüste und hat Sand. - Und ehrlich gesagt, wir hatten inzwischen auch reichlich die Schnauze voll und haben das Chaos hinter uns gelassen.- Die Hausleute haben am nächsten Morgen keinen  Schlag bekommen, doch ein schönes Erwachen ist sicher etwas anderes und an ein entspanntes Frühstück, war in dem hinterlassen Chaos sicher nicht zu denken. Alles war tranig, schmierig und rot vom Paprika - mir jedenfalls hätte es bei dem Anblick den Magen umgedreht - aber sie haben es unbeschadet überlebt und das Dorf war um eine Erzählung reicher ...

copright Julietta Günther



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