Montag, 26. Oktober 2015

"Unsere kleine Farm" - 2015-10-27

Am Sonntag habe ich mir Episoden von César Milan angeschaut. Wir haben grosse Hunde und die muss man trainieren. Klar, die kleinen,  Handtaschenhunde, wie ich sie nenne, brauchen genauso Training. Gerade in Spanien an der Promenade waren die für mich ein Greuel. Den Meisten von ihnen fehlte bereits der Grundgehorsam, aber das müssen ihre Besitzer ausbaden... Wir haben jedenfalls für unsere Hunde entschieden, dass sie geschult werden. Wir waren auch mit einigen von ihnen in der Hundeschule. Insbesondere die Stunden als wir unseren Hundebär dabei hatten, brachten einiges an Gelächter, weil der selbst als wenige Monate alter Welpe bereits 20 Kilo auf die Waage brachte und wenn der nicht wollte, dann blieb er sitzen, und zwar wie angewurzelt mit den Pfoten als Bremsklötze. Da konnte Herrchen ziehen wie er wollte und selbst Leberwurstbrotleckerli halfen nicht. Hund blieb stur sitzen und wenn es ihm zu bunt wurde, dann legte er sich glatt flach auf den Boden. Spätestens dann gröllte die gesamte Mannschaft ...

Ceasar, gerade einmal vier Monate und zu der Zeit bereits 50 cm hoch und 80 cm lang

Aber zurück zur Sendung. Klar gibt es an jedem Trainer Kritik. Doch für mich trainiert der Rüttger mehr mit Technik und der César Milan ist eher jemand, der mit Intuition arbeiten. Wie auch immer, bei beiden habe ich mir schon einiges abgeschaut. Gerade, wenn man wie wir Nutztiere haben, dann kommt man automatisch in Berührung mit Intuiton. Man kann die Tiere beobachten, doch manchmal sagt einem nur das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Auch weiss ich ganz genau, dass wenn ich nervös bin, die Tiere das auch sind. Das ist ähnlich wie damals, als mein jüngster Sohn noch ein Baby war. Er hatte Pseudokrupp und wenn er so einen Anfall hatte, dann war es besonders wichtig, dass ich Ruhe bewahrt habe. Ich legte ihn mir auf den Bauch und machte Autogenes Training. Sobald ich zur Ruhe gekommen war, ganz ruhig und entspannt atmete, dann entspannte er auch und war binnen kürzester  Zeit eingeschlafen.

Hier komme ich auch immer wieder in Situationen,  in denen es wichtig ist, ein Tier zur Ruhe zu bringen oder aber ihm Sicherheit zu vermitteln. Wir haben immer wieder einmal Tiere, die sich verletzen oder wir mit dem Nachwuchs helfen müssen. Heute musste ich feststellen, dass das Rudel, bei dem vor ein paar Tagen der Rudelführer gestorben ist, erst zur Ruhe kam, als ich in das Gehege kam. Sie waren die letzten Tage reichlich unruhig. Scheinbar hat der fehlende Rudelführer sie verunsichert. Ich setzte mich zu ihnen in das Gehege, selbst die extrem scheuen und ängstlichen Tiere kamen zu mir, legten sich neben mich und schliefen. Dazu muss man wissen, dass wir in diesem Rudel Hunde haben, die sehr scheu und ängstlich sind, sodass selbst ich sie kaum anfassen kann und die deshalb auch nicht vermittelbar waren und sind. Der Grund ist der, ihre Mutter ist zusammen mit ihnen und ihren Geschwistern ausgerissen. Von der Mutter und den neun Jungen kamen nur vier zurück. Diese aber haben offensichtlich miterlebt, wie die Mutter und die Geschwister erschossen wurden. Seitdem haben sie Angst vor Männern und geraten in Panik bei lauten Geräuschen und schnellen Bewegungen. Scheinbar haben sie mich zu ihrem neuen Anführer und Beschützer gemacht. Dies bedeutet aber nicht, dass sie nicht untereinander auch ihre neue Rangordnung regeln.

Gerade bei dieser Gruppe, die nun nur noch aus vier Tieren besteht, zeigt es sich immer wieder wie wichtig es ist, die Intuition einzusetzten. Unlängst hatte sich ein Rüde an dem Vorderbein eine sehr tiefe und klaffende Wunde zugezogen, während ein anderer eine Bisswunde hatte. Offensichtlich war schon damals der Rudelführer krank und sie hatten begonnen, ihre Rangfolge zu klären. Doch das fiel mir damals noch nicht auf. Manchmal will man es bewusst oder unbewusst auch nicht wissen. Jetzt mussten diese Wunden versorgt werden, bei einem hatten sich sogar schon Maden eingenistet. Das geht bei warmen Wetter schnell und bei einem langhaarigen Tier, sieht man eine Verletzung oft nicht sofort. Ich musste also ganz nah an dieses Tier heran und er musste mir gestatten, dass ich nicht nur die Wunde auswusch, sondern auch noch die Maden daraus entfernte. Es dauerte eine Weile bis er es gestattete, doch dann liess er sogar zu, dass ich mit einer Pinzette die Würmer herausholte und die Wunde anschliessend auswusch und versorgte. Nun war dies natürlich nicht eine einmalige Angelegenheit, sondern es zog sich über mehrere Tage hinweg, bis die Wunde begann abzuheilen. Er liess die Behandlung anstandslos zu und leckte mir sogar die Hand. Das war ein ganz besonderer Vertrauensbeweis, dass dieses scheue Tier mich überhaupt in seine Nähe gelassen hat, ohne wegzurennen oder gar nach mir zu schnappen.

Das ist auch eine neue Rolle, in die mich das Farmleben geführt hat: die der Krankenschwester der Tiere. Es ist nicht immer ein Tierarzt vorort und manchmal muss eben gleich gehandelt werden. Ähnlich wie ich bei der Pflege meines demenzkranken Vaters,  als ich immer mehr notgedrungen in die Thematik hineinwuchs und nach und nach selbst über die Wechselwirkung und die Auswirkungen der Medikamente meines Vaters Bescheid wusste - so lerne ich heute immer mehr  über die Tierpflege und -hege.  Im Grunde habe ich hier fast permanent eines der Tiere in meiner "Krankenstation", sei es die Ziege, die von der Mutter nicht gestillt wird, sei es eine andere, die eine Bissverletzung an der Hinterläufe hat. Dann muss wieder einmal ein Schaf verarztet werden., dass beim Scheren eine Schnittverletzung erhalten hat oder eine Klaue geschnitten werden muss. Inzwischen habe ich immer in Reichweite eine Tüte Holzasche zur ersten Wundversorgung.  Jetzt habe ich gerade ein Huhn zum Aufpäppeln, das sich scheinbar durch den Transport das Rückrad verletzt hat und nicht mehr richtig laufen kann. Klar, es kommt irgendwann doch in den Kochtopf, aber bis dahin soll es sich des Lebens freuen und Fleisch ansetzen. Dann habe ich noch eine junge Ente, die sich im Freigang einen Fuss verdreht hat. Ich dachte eigentlich nicht, dass sie das noch schafft. Tagelang hüfte sie auf einem Bein und verlor immer wieder das Gleichgewicht, aber siehe da, nach knapp einer Woche läuft sie nun wieder auf beiden Beinen.

Meinen Erfahrungen nach habe die Tiere überhaupt unsagbar grosse Selbstheilungskräfte. Davon schreibe ich auch in "Kettő Labu" unserer zweibeinigen Katze. Wir hatten einen Wurf von fünf Kätzchen, bei denen sich bei der Geburt die Nabelschnur um die Hinterläufe gewickelt hat. Als ich abends nach der Arbeit nach Hause kam, hatte die Katzenmutter bereits die abgestorbenen Gliedmassen amputiert und zurück blieben: zwei gesunde Kätzchen, einem fehlte eine Hintertatze, einem eine halbe Hinterläufe und einem sogar beide halbe Hinterläufe. Die Kätzchen hatten einen solchen Lebenswillen, dass ich entschloss es der Natur zu überlassen, ob sie leben oder nicht - und - sie lebten und wie ! ... -

Kettő Labu - unsere zweibeinige Katze
In diesem Wurf gab es auch ein kleines schwarzes Katerchen. Als der Zahnwechsel an der Reihe war, wurde er sehr krank und hatte ganz schlimmen Durchfall. Der Tierarzt machte mir nicht viel Hoffnung. Ich setzte das Katerchen in eine flache Kiste, gab ihm jede halbe Stunde mit einer Spritze Hühnerbrühe. Zum einem sollte sie kräftigen und zum anderen wollte ich so der lebensgefährlichen Austrocknung entgegen wirken. Nach zwei Wochen war kaum noch Leben in dem Tierchen.  Es war so schwach, dass es sich schon geraume Zeit nicht mehr putzen konnte und stank fürchterlich. Längst schon machten die anderen Tiere einen grossen Bogen um den Kater. Dies ist normalerweise ein untrügliches Zeichen, dass es dem Ende zu geht. Ich rechnete minütlich damit, dass es seinen letzten Atemzug täte. Doch als ich von der Küche ins Zimmer zurück kam, hatte es das Tierchen irgendwie geschafft, sich zwei Meter aus der Kiste zu entfernen. Ich nahm das Tier auf , brachte es zum Futternapf und setzte es so hin, dass die Schnauze auf dem Futter lag. Und siehe da, es geschah das Unglaubliche: das Katerchen begann zu fressen. Er erholte sich schnell und aus ihm wurde ein stattlicher Kater.

Fekete - die Schwarze

Ein anderes Beispiel ist unsere Bella. Ihre Mutter Doddo hatte ihre Jungen in dem Holzschuppen zur Welt gebracht und so blieb das auch vorerst ihr Zuhause. Als Bella ca. zwei Monate alt war, fiel in einer bitterkalten Winternacht ein Holzstapel um und ein grosser Holzscheit fiel auf Bellas Rückrat sowie Hinterpfoten. Als ich sie morgens fand, war der Welpe fast erfroren, die Hinterpfoten waren eiskalt und bewegungslos. Der Tierarzt meinte, sie hätte ganz schwache Reflexe und wenn sie in einer Woche die Läufe bewegen könnte, dann würden wir weiter sehen. Bella schlief die kommenden Wochen neben meinem Bett, sie bekam alle halbe Stunde ein wenig zu trinken, musste immer wieder einmal trocken gelegt werden und tatsächlich nach ein paar Tagen bewegte sie zumindest eine Hinterpfote. Während der ganzen Zeit und auch später hat sich ihr grösserer Bruder Buddy rührend um sie gekümmert. Buddy ist unser "Babysitter vom Dienst", der sich um alle jungen Hunde, Katzen und einem zugelaufenen drei Monate alten Foxterrier kümmerte. Immer wieder hat er sie vorsichtig in die Hinterläufe gezwickt, um sie dazu zu bewegen, dass sie sie bewegt. Diese Therapie hat geholfen.
Babysitter Buddy und Bella

Bald lief sie wieder, wenngleich auch etwas unsicher. Als sie wuchs, knickten ihr immer wieder die Hinterbeine weg, doch mit einer zusätzlichen Vitamingabe liessen die Bewegungsschwierigkeiten wieder nach, bis zum nächsten Wachstumsschub. Heute rennt und tobt sie wie eine Wilde durch den Garten und nur ein geübtes Auge kann erkennen, dass die Läufe etwas schäg übereinander laufen. Und - sie ist ein ganz lieber und toller Hund geworden.
Bella heute
 Manchmal allerdings kämpft man vergebens, doch für die anderen Male lohnen sich die schlaflosen Nächte.


copright Julietta Günther







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